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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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Neél muss ihn herausfordern. Ihn beleidigen. Ihn provozieren.« Sie seufzte und schnalzte erneut tadelnd mit der Zunge. Dann sagte sie: »Wir wissen es doch. Wir wissen von der Gilde der Wölfe. Die Präsidenten töten die Boten, lange geht das nicht mehr gut. Cloud befürchtet, dass es Krieg geben könnte.« Sie setzte Neél die Flasche mit dem Gebrannten an die Lippe. »Trink das!«
    »Hilft das gegen die Schwellungen?«, fragte ich.
    »Es hilft gegen die dummen Fragen.«
    Da kannte sie mich aber schlecht. »Was ist das, die Gilde der Wölfe?« Ich dachte an meine gefundenen Papiere und das Symbol über dem Text. Der Umriss eines Wolfs.
    »Eine Partei.« Mina bearbeitete Neéls Wunden mit roher Gewalt. Fast hätte ich ihr das Tuch aus den Händen gerissen, aber ich fürchtete, dass sie dann nicht weitersprach. Neél lauschte ihr trotz der Schmerzen aufmerksam.
    »Im Ausland ist es anders als hier. Da gibt es Orte, in denen Percents und Menschen miteinander leben. Das basiert auf den Visionen eines Statthalters, der Andreas Wolf hieß. Er gründete die Gilde der Wölfe.«
    »Woher wisst ihr das?«, fragte ich. Neél gab einen krächzenden Laut von sich.
    »Einige Fremdländer konnten ihre Botschaft verbreiten, bevor sie getötet wurden. Cloud selbst hat nie mit einem gesprochen. Aber er kennt die Gerüchte. Er glaubt daran.«
    Neél keuchte: »Aber er will zur Triade gehören. Er will Präsident werden.«
    »Um die Dinge zu ändern, Neél! Aber die meisten eurer Art fürchten sich vor Veränderungen, daher muss er behutsam Vorgehen und darf nicht überstürzt handeln.«
    Ich massierte mir die Schläfen und verteilte dabei Alkohol und Neéls Blut auf meiner Haut. Die Gedanken wirbelten durcheinander wie Laub in einer Windhose. Sollte das bedeuten, dass Neél und Graves an derselben Sache arbeiteten wie Cloud, ohne dass sie voneinander wussten? Oder wusste Neéls Mentor mehr, als wir ahnten?
    »Warum Joy?«, quetschte Neél hervor. Er hustete. Winzige Blutstropfen benetzten sein Kinn.
    Ich verstand nicht gleich, was er meinte, aber Mina begriff. »Cloud braucht Männer unter sich, die dem Neuen positiv gegenüberstehen. Als Beispiel und Vorbild für andere. Er wusste, was du lernen würdest, wenn er dir aufträgt, sie zu trainieren.« Sie blickte auf seine gesunde Wange. Mein Blick folgte ihrem und erwischte meine Hand, die ganz selbstverständlich dort lag, um ihm etwas Trost zu spenden, ob er ihn nun brauchte oder nicht. Vielleicht brauchte ich ihn ebenso. Ich zog die Hand schnell zurück und Minas Zunge schnalzte ein weiteres Mal.
    »Ich hatte ja geahnt, dass es dazu kommen würde. Cloud, habe ich gesagt, wenn er sich in das Mädchen verliebt, dann macht er alles kaputt. Cloud hat nur darüber gelacht. Seine Sorge war, du könntest sie erwürgen, bevor der Sommer kommt. Verlieben?, sagte er. Das soll er nur. Wenn er sie liebt, trainiert er sie besser. Je besser sie im Chivvy läuft, umso besser für Neéls Status und umso besser für mich.« Mina seufzte. »Er wusste damals schon, dass du eine Spur verfolgst, die zur Gilde der Wölfe führt. Er hat die Briefe gesehen, die du abgeschrieben hast, Neél. Er hat deine Übersetzungen gelesen - im Übrigen fand er sie gar nicht so schlecht. Aber er musste dich davon abhalten, weiterzuforschen, da es seine Karriere ruiniert hätte, wenn du aufgeflogen wärst. Und gleichzeitig musste er dich motivieren, ein Menschenfreund zu werden, weil er dich und deine Loyalität brauchen wird, wenn er Präsident ist. Sein Plan war, dich auf Kurs zu halten, aber außerhalb der Schusslinie. Unbemerkt von den Kritikern. Er dachte, mit einer Menschenfrau, für die du verantwortlich bist, würde ihm beides gelingen. Ich wusste immer, dass das nicht gut gehen würde.«
    Neél nickte und krächzte ein leises »Verstehe«. Er versuchte aufzustehen, aber die Beine kippten unter ihm weg.
    Ich wollte ihn stützen, mit dem Ergebnis, dass wir beide hinfielen. Seine Augen waren plötzlich ganz verdreht. Und dann sah ich den Blutfleck an der Wand, wo sein Kopf gelehnt hatte.
    »Neél.« Etwas anderes fiel mir nicht ein. Behutsam tastete ich seinen Hinterkopf ab. Meine Finger stießen auf eine Schwellung, groß und hart wie eine Faust. Darüber zog sich ein klaffender Riss von zehn Zentimetern Länge. Das Blut rann ihm den Nacken hinab. Er taumelte nun sogar im Sitzen.
    »Leg dich hin, Neél«, wies Mina rasch, aber ruhig an. Zu mir sagte sie: »Er wird eine schwere Gehirnerschütterung haben, Cloud

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