dark canopy
»Vergiss die Präsidenten. Hilf mir.«
Cloud stellte das Glas auf dem Tisch ab. »Was hast du vor?« Die Frage war ein unheilvolles Zischen.
»Ich bringe sie fort!« Neél packte mein Handgelenk, als müsste er sich an mir festklammern. »Wir brauchen nichts von dir, außer etwas Zeit. Im Gefängnis schlagen sie Alarm, wenn Joy bis zum Abend nicht zurück ist.«
So funktionierte das also. Sie überwachten mich und Neél. Ich hatte das schon angenommen.
»Wenn du ihr Zeit verschaffst, nur bis morgen früh - wir könnten behaupten, sie würde hier übernachten, oder du -«
»Schluss, Neél.« Cloud wartete, bis Neél aufhörte zu gestikulieren.
Ich war mir sicher, vor Neéls Mentor nicht ungefragt sprechen zu dürfen, aber diese Regel hatte ich schon oft genug verletzt, also brauchte ich auch jetzt nicht damit anzufangen, sie einzuhalten. »Wir kommen zurecht«, sagte ich. »Ich werde das Chivvy schon irgendwie schaffen.«
Neél schnaubte. »Was schaffst du ... sterben? Ist es das, was du vorhast, Joy?«
»Du redest groben Unfug«, sagte Cloud. »Ich verstehe deine Sorge, mein Junge, aber ich kann dir unmöglich helfen.«
»Du willst es nicht!« Neél schrie fast. Die Verzweiflung in seiner Stimme tat mir körperlich weh. »Du kannst es, verdammt, du hast die Macht dazu!«
»Und die darf ich nicht missbrauchen. Das Mädchen hat recht, es liegt nun an ihr, sich zu retten.«
»Das lasse ich nicht zu.« Eine Sekunde sah Neél aus wie ein bockiges Kind, dann schluckte er und es blieb nur noch Entschlossenheit in seinem Gesicht zurück. »Ich habe es versprochen.«
»Dann hast du zu viel versprochen.«
Neél setzte jenes bitterböse Lächeln auf, mit dem er selbst mir noch Angst machen konnte. »Aber auch du hast etwas versprochen, Cloud, erinnerst du dich nicht? Du hast versprochen, immer auf meiner Seite zu sein. Da zu sein, wenn ich dich brauche. Ich habe dich nie um etwas gebeten, aber jetzt brauche ich dich.« Die Worte kamen langsam und bedächtig aus seinem Mund. Sie waren wie giftige Insekten. Unauffällig, kaum zu bemerken. Doch wen sie stachen, der musste sterben. »Hilf mir, Cloud, oder rechne nie wieder mit mir.«
Natürlich blieb Cloud unbeeindruckt. Er nahm einen genüsslichen Schluck von seinem Gebrannten. »Du willst es auf die unangenehme Art, nun schön. Schick das Mädchen hinaus.«
Neéls Griff um mein Handgelenk wurde fester. »Ich vertraue ihr.«
»Hinaus mit ihr.«
»Sie bleibt!« Nun brüllte Neél. Er hatte jegliche Beherrschung aufgegeben.
Clouds Augen gefroren zu solcher Grausamkeit, dass ich Angst bekam. Angst um Neél.
»Lass nur«, flüsterte ich ihm zu. »Ich warte draußen.«
»Joy, du musst nicht gehen. Es geht hier um dich.«
»Schon gut. Bitte, ich ...« Ich blickte wie suchend im Raum umher und dachte so fest ich konnte an Amber. Ich könnte versuchen, sie zu finden. Mit den Lippen formte ich ihren Namen. Neél verstand. Widerstrebend ließ er mich los. Ich ging nicht zur Tür, ich rannte fast, schloss sie hinter mir und lehnte mich dagegen. Was hatte dieser Cloud nur an sich, dass mir in seiner Nähe jedes Mal angst und bange wurde?
Drinnen war es nun sehr still. Auf einmal war ich mir nicht mehr so sicher, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, hinauszugehen. Was, wenn Cloud Neél etwas antat? Sicher, weil du ihm dann auch helfen könntest, haha. Trotzdem legte ich das Ohr an die Tür.
Als Neél die Stimme erhob, zuckte ich zusammen, weil er so brüllte.
»Rede endlich mit mir!«
»Du vergisst, wer ich bin, Neél.« Mich schauderte. Diese beherrschte Stimme würde mich noch in den Wahnsinn treiben.
»Nein, du vergisst, wer du bist. Früher warst du anders. Früher hättest du das Richtige getan. Du hättest ihr geholfen, du -«
»Ihr?« In dem Wort klang Hohn mit. »Du willst, dass ich dir helfe, mein Junge, das hat mit der Soldatenfrau nichts zu tun.«
Ich konnte förmlich durch die Tür sehen, wie Neél die Zähne zusammenpresste, als er erwiderte: »Es hat nur mit ihr zu tun.«
»Nein, Neél. Du bist besorgt um die Chancen deines Soldaten. Jeder wäre es an deiner Stelle, die Frau bestimmt schließlich über deine Zukunft.«
Ich presste die Wange ans Holz. Nein, Neél, nicht, lass dich nicht locken, er will die Wahrheit aus dir herauspressen.
Aber Neél hörte mich nicht. »Meine Zukunft? Die bedeutet mir nichts. Nicht ohne sie.«
Eigentlich sollte mein Herz jetzt stehen bleiben, aber das Mistding schlug einfach weiter. Etwas Kaltes rann mir
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