dark canopy
gekommen. Matthial blieb wie versteinert stehen, als er sah, dass das Tor offen stand. Offen wie ein Maul. Und als er die Luft anhielt, hörte er das Malmen von Pferdezähnen und das leichte Scharren von Hufen auf Stein. Beschlagene Hufe. Percent-Pferde!
Sein alter Hund trottete einfach weiter. Früher hätte ein Blick gereicht, um Rick dazu zu bringen, sich still hinzulegen. Jetzt latschte der halb blinde Kerl geradewegs in sein Verderben. Matthial sah schon vor sich, wie die Bolzen durch Fell, Fleisch und Rippen schlugen. Er stieß den Atem aus, hob den Bogen und warf sich um den Torstock, um seinem Hund Deckung zu geben. Doch in der Halle waren keine Percents. Das störrische alte Pferd, auf dem Matthial vor vielen Jahren das Reiten gelernt hatte, hob den Kopf, erkannte ihn und begrüßte ihn mit einem tief blubbernden Wiehern. Ein zweites Pferd sah neugierig zu ihm herüber und kaute Heu, ohne sich um den Pfeil zu kümmern, der zwischen seine Augen gerichtet war. Matthial ließ die Waffe sinken.
»Vater?«, flüsterte er und dann erblickte er die Gestalt, die tief im Inneren der Halle, zwischen den Schatten, auf ihn gewartet hatte.
»Ich habe gehört, was du planst.« Mars’ Stimme hallte durchs Halbdunkel und schien das Licht zu fressen. Matthial zwang sich zum Grinsen. Es war so typisch für Mars, gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Persönliche Worte waren in seinen Augen Zeitverschwendung.
»Die Entscheidung steht. Sie ist meine, du brauchst nicht -«
»Red nicht, bevor du überhaupt weißt, weshalb ich hier bin.« Mars trat ihm gemächlich entgegen. Er sah gut aus, irgendwie jünger. Matthial hatte sich seinen Vater alternd und ausgemergelt vorgestellt. Zerbrochen wie der Clan. Er hatte sich geirrt.
»Warum bist du hier?«
Mars ließ eine Kette durch seine Finger gleiten. Eine Marke hing daran, eine Stadtmarke. Matthial hatte ihn nie eine tragen sehen. »Ich habe gehört, dass Männer von Jamies Clan bei dir sind, um dir zu helfen. Es ist kein gutes Gefühl, dass Jamies Männer meinem Sohn helfen und meine nicht.«
»Du willst ... helfen? Mir?«
Mars’ Augenbrauen bewegten sich nach oben, es war wie ein minimalistisches Schulterzucken. »Ich bin um gute Kontakte mit allen Clans bemüht, auch mit deinem. Vermutlich werde ich früher oder später auch deine Hilfe brauchen. Sieh es als Vorleistung.«
»Du gehst nie in Vorleistung.« Das Misstrauen war heraus, ehe Matthial es verhindern konnte. Er wusste nicht, wohin mit seinen Händen, und zupfte an der Bogensehne. Seine Pfeife fehlte ihm, ein bisschen Kraut hätte ihn sicher beruhigt.
Mars lächelte. »Dein ewiger Fehler. Du meinst, sobald man erwachsen ist, würde man nichts mehr dazulernen. Das war immer dein Problem, Matthial. Du hältst dich für klug. Das verhindert, dass du es wirst.«
»Wir kommen dem wahren Grund deines Besuchs näher, Vater.«
Mars trat neben das neue Pferd und klopfte dem Tier den Hals. Dabei wandte er das Gesicht ab, Matthial konnte nur ahnen, dass er schmunzelte. »Du hast recht. Ich bin auch hier, weil ich sehen wollte, ob du zurechtkommst. Ich habe ein Auge auf dich, das hatte ich immer.«
Matthial nickte und versuchte, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. »Natürlich. Ich bin ja nicht blind.«
»Hat Kendra mich verraten?«
»Kendra ist dir loyal. Du hast dich selbst verraten.« Er deutete auf das Pferd. »Du hast Spuren hinterlassen.«
»Ich oder meine Männer.«
»Woher hast du das Pferd? Es ist beschlagen, wie die der Percents.«
»Rechtmäßig gestohlen.« Mars feixte. »Um dir zu helfen, mein Sohn. Ich komme mit einem Krieger und zwei Pferden, um zu unterstützen, was du dir vorgenommen hast.«
Matthial gelang es nicht, sein Misstrauen ganz abzuschütteln. Das Angebot war verlockend, aber es verwirrte ihn. »Ich hatte ... Ich meine, ich habe Pläne gemacht. Die kann man nicht alle umwerfen, nur weil du kommst.«
Mars hob die Hände zu einer beschwichtigenden Geste. »Dein Kampf, dein Entscheidungen. Plane mich und meinen Krieger irgendwo ein, wo du Deckung brauchst. Die Pferde gehören für morgen dir.«
Die Worte erreichten Matthial wie Hände, die sich unterstützend auf seine Schultern legten, wenn er sie am nötigsten brauchte. Seit Jahren hatte er sich solch eine Geste von seinem Vater gewünscht. Das Gefühl leuchtete in seinem Inneren, ganz warm und hell - er verspürte Dankbarkeit und den dringenden Wunsch, seine Planungen zu aktualisieren. Wo hatte er seine Aufzeichnungen?
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