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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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Zwei Pferde - zwei weitere Krieger. Das war fantastisch! So könnten sie es schaffen, sie könnten es tatsächlich schaffen, und wären nicht länger auf Zufall und Glück angewiesen. Nicht, wenn er sorgfältig plante. Er brauchte einen Stift. Schnell. Die Zeit raste!
    Wie hell es sich in seiner Brust anfühlte. So hell. Ihm war, als sähe er in die Sonne.

38
    nichts muss man für immer versprechen,
weil es dieses für immer nicht gibt.
    In der Nacht vor dem Chivvy schlief kein Percent. Man ließ die Varlets, die am nächsten Tag keine mehr sein würden, auf einer großen Feierlichkeit im Hotel hochleben.
    Neél hatte erzählt, dass es dieses Fest gab, seit er denken konnte. In den Jahren davor hatte er als jüngerer Varlet für die Bewirtung der älteren sorgen und ihren Dreck wegräumen müssen. Heute war er es, der sich bedienen lassen durfte und gefeiert wurde.
    »Ich würde dir etwas Musik mitbringen, wenn ich könnte«, sagte er zu mir, als er sich mit einem Kuss verabschiedete - womöglich war es unser letzter.
    Neél wollte nicht gehen und feiern, was morgen geschehen würde. Ich schob ihn sanft auf den langen Flur. »Du musst da hingehen, sonst kommen sie dich holen. Halt die Augen und Ohren offen, vielleicht erfährst du etwas, das uns hilft. Motiviere sie zum Trinken. Mit Gebranntem in den Beinen kriegen sie mich nie.«
    »Schließ von innen ab. Lass keinen rein.«
    »Nur dich.«
    • • •
    Er kam zurück, als es schon beinahe Morgen, die Feier aber noch in vollem Gang war. Wir wussten beide, dass er nicht hier sein durfte. Geflüstertes Schnellschnell lag in der Luft. Außerdem sein Kichern (Hatte ich ihn schon einmal kichern hören?) und der Duft von frischem Brot und Gebrautem. Viel davon.
    »Wenn jemand fragt, meldet sisch Graves übersch Comm und verschafft Zeit«, sagte er mit schwerer Zunge. »Angeblich bin ich grad beim Kotzen.« Genug getrunken hatte er in jedem Fall, sein Atem machte mich schwindelig vor lauter Alkohol.
    Er öffnete seine Umhängetasche mit den Worten, dass da leider keine Musik drin sei, und holte in Papier eingeschlagenes Brot und eine Flasche heraus, in der vermutlich noch mehr Alkohol war. Es fiel ihm schwer, die Sachen auf den Tisch zu stellen, die Flasche wäre fast umgekippt.
    »Isch hab sie alle abgefüllt«, ließ er mich mit lallenden Worten wissen. Schwer zu glauben, dass irgendwer betrunkener war als er. Mit den Zähnen entkorkte er die Flasche und hielt sie mir hin.
    »Ganz schlechte Idee, Neél.«
    »Du has’ recht.« Er lächelte. Seine Augen waren glasig, als läge Tau über ihnen. »Aber du muscht das Brot probieren. Graves hat gesagt, ich soll dir davon bringen. Er hat mich Rotkäppschen genannt und gemeint, ich soll mich vor dem Wolf in Acht nehmen. Wen meinte er mit dem Wolf?«
    Ich wusste es nicht, aber der Wolf machte mir Sorgen. »Vielleicht die Gilde der Wölfe?« Nein, das ergab keinen Sinn.
    Neél versuchte, mich anzusehen, schien den Blick aber nicht fokussieren zu können, sodass er durch mich hindurchstarrte. »Ich denk ... Graves redet dummes Zeug.« Er beugte sich zu mir und flüsterte: »Verrat es ihm nicht, ich mag Graves, er ist ein feiner Kerl. Aber er ist ein bisschen verrückt, findest du nicht?«
    Die Versuchung, eine einzige meiner Fragen beantwortet zu bekommen, war zu groß. Ich wusste, dass ich seinen Zustand ausnutzte, aber wir hatten uns nie Fairness versprochen. »Könnte sein. Warum trägt er eigentlich immer Wollpullover? Selbst im Sommer?«
    »Weil die Alte aus der Küche sie ihm strickt«, stammelte Neél mit fragendem Unterton, als wäre das völlig selbstverständlich.
    »Die graue Frau?«
    »... strickt graue Pullover. Graves wurde verbrannt, weißt du das nicht? Seitdem friert er. Er friert immer. Haut kaputt. Da hilft auch keine graue Wolle.«
    Das brachte mich nicht weiter, so viel hatte ich bereits selbst herausgefunden. »Du bist völlig betrunken, nicht wahr?«
    »Nich wahr.«
    »Doch, ich glaube schon. Du solltest jetzt deinen Rausch ausschlafen, wenn du morgen nicht über deine eigenen Füße fallen willst.«
    »Du solltest das Brot aufessen, bevor es kalt wird. Ich geb noch nicht auf. Du kannst hierbleiben. Bei mir.«
    Er kämpfte noch immer um mich und meine Entscheidung. Er kämpfte mit süßem weißem, watteweichem Maisbrot, das geschmolzene, salzige Butter aufgesogen hatte, und er kämpfte mit Küssen, die mich betrunken machten, mit klebrig, zuckrigem Wein aus Zimt und Pflaumen und mit seinen groben Händen an

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