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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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und nur Angst war geblieben. Angst von solcher Intensität, dass sie mich fast das Bewusstsein kostete. Die Percents verschwammen und ich mit ihnen. Details meiner Umgebung bestimmten das Bild. Eine vorbeihuschende Katze mit einem weißen Fleck auf der Stirn. Ein mit Schmutzwasser vollgesogenes Kleidungsstück im Rinnstein. Ein zerstörtes Fenster, nachtblaues Licht, das in den gezackten Scherben spielte.
    Plötzlich hörte ich schrille Töne, die mich an etwas erinnerten und Entsetzen in mir hervorriefen. Ehe ich vollends verstand und lange bevor ich mich auf den Anblick gefasst machen konnte, erkannte ich einen Percent auf der Flöte des kleinen Matches-Bruder pfeifen. Unbeholfen pustete er hinein, verursachte grässlichen Lärm und erntete Applaus und Gelächter von seinen Kumpanen. Keine zwei Meter entfernt lag mein Vögelchen mit eingetretenem Brustkorb auf dem Gehweg. Die Augen standen weit offen und lagen tief in den Höhlen. Das Haar hing blutverklebt in der Stirn. Die Schädelrückseite war fort.

7
    er durchschaute mich vom ersten augenblick an.
und außerdem hasste er mich.
    Ich kam zu mir, ohne ohnmächtig gewesen zu sein. Mit einem Stechen, als setzte jemand kalte Nadelspitzen an meiner Kopfhaut an und bohrte sie dann in aller Seelenruhe durch meinen Kopf, bis sie auf der anderen Seite wieder austraten, kehrte mein Bewusstsein zurück. Ich kniete auf einem feuchten, abgetretenen Teppich. Meine Hose hing in Fetzen um meine Beine. Wenn der Schmerz nicht übertrieb, sah die Haut darunter nicht viel besser aus. Ich begann zu zittern, als sich die Starre löste und ich begriff, wo ich war.
    Ich wollte es nicht begreifen - wollte verleugnen, wo ich war und wer ich war -, aber mein Verstand war noch nicht so weit, sich Lügen für mich auszudenken. Die Wahrheit entstieg der Dunkelheit, so wie Konturen in einem finsteren Raum, wenn sich die Augen langsam an das wenige Licht gewöhnen. Schräg neben mir hockte Liza. Ihr ehemals langes blondes Haar war an der linken Seite ungleichmäßig abgeschnitten, als hätte man ihr im Kampf einfach einen ihrer Zöpfe abgesäbelt. Sie wippte vor und zurück und starrte auf einen Klecks Erbrochenes vor ihr auf dem Teppich.
    Ich blickte auf.
    Sie standen im Kreis um uns herum. Percents. Es mussten zwei Dutzend sein, womöglich mehr. Ich sah nur die, die uns am nächsten waren, und allein das war zu viel für mich. Um nicht zu wimmern wie ein Kind, biss ich auf meine Wangeninnenseite.
    Sie debattierten. Worte auszumachen, war kaum möglich, so sehr redeten sie durcheinander. Schwer zu sagen, ob sie stritten oder sich amüsierten. Ihre Mienen waren immer hart, man konnte nicht aus ihnen lesen. Um ehrlich zu sein, wollte ich das auch nicht. Vielleicht machte es Liza ganz richtig. Sie wiegte sich und schien dabei in einer anderen Welt zu sein. In einer besseren, denn sie lächelte debil. Sie erinnerte mich an unser Pferd. Wenn wir es zu lange im Stall einsperrten, schwang es seinen Kopf hin und her. Wenn Menschen brachen, waren sie auch nur noch wie Tiere.
    Auf irgendetwas schienen die Percents sich geeinigt zu haben, denn einer von ihnen trat vor und packte Liza am Handgelenk. Er zog sie auf die Füße. Sie wehrte sich nicht, hing schlaff in seinem Griff, als wäre ihre Haut ein leeres Kleidungsstück. Dass dem nicht so war, erkannte ich an ihrem Schritt. Es tropfte an ihren Beinen herab und roch nach Essig. Pisse stinkt widerlich, wenn man von Panik erfüllt ist. Mir kam Magensäure hoch.
    »Name!«, bellte der Percent sie an. Er hätte ebenso gut verlangen können, sie möge für ihn tanzen. Er schüttelte sie, wiederholte das Wort. »Name. Name! Naaame!« Ich zerbiss meine Wut zwischen den Zähnen. Er redete, als sei sie schwachsinnig.
    Schließlich erkannte er, dass es zwecklos war. »Wer will sie?«, rief er.
    Plötzlich waren alle still. Manch einer trat von einem Bein aufs andere, die meisten aber standen unbeweglich da.
    Der Percent, der Liza hielt, wurde ungeduldig, er ruckte an ihrem Arm. »Na los, na los. Wer will sie?« Er packte mit der freien Hand nach dem Saum ihres Pullovers, zerrte ihn hoch und zeigte den anderen ihre Brüste. Ich sah Liza nur von hinten, konnte aber erkennen, dass sie kein Hemdchen trug. Mehr Säure kam meinen Hals hoch, mein ganzer Mund war voll von bitterem Ekel. Liza regte sich nicht.
    Der Percent, der schließlich vortrat, war alt. Man erkannte das bei ihnen nicht auf den ersten Blick. Ihr Haar wurde nicht grau und sie bekamen keine Falten,

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