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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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Knochen klirrten. Ich sah Sterne. Schmerz explodierte mitten in meinem Gesicht.
    Seine Hand in meinem Genick. Meine gebrochene Nase tief in harte Erde gegraben. Sein Knie zwischen meinen Schulterblättern. Mutantrattenscheiße dicht vor meinen Augen. Blut in meinem Mund.
    »Du bist zu langsam.« Seine Stimme war eiskalt und ruhig. Aus seinem Gesicht war die Gleichgültigkeit verschwunden. Stattdessen spannten Abscheu und Ekel seine Augenlider und den Bereich um seinen Mund. »Noch mal.«
    Was er mir damit sagen wollte, begriff ich nicht. Ich wollte es nicht glauben.

11
    das nichts wiegt weniger als alles andere.
    Ich rannte und wusste bei jedem Schritt, dass es vergebens war. Der Wald war so weit weg. Der Percent so schnell und so nah. Er warf mich ein weiteres Mal zu Boden und dann noch mal. Immer zerrte er mich danach wieder auf die Füße.
    »Zu langsam! Noch mal!«
    Jedes Mal fing er mich schneller. Der Schorf an meinen Knien hatte sich gelöst und Blut durchtränkte meine zerschlissene Hose. Meine Handflächen waren aufgescheuert und brannten. Meine Nase schien im Takt meines galoppierenden Herzens zu explodieren.
    Ich fragte nicht, warum er mich hetzte, mich laufen ließ und wieder einfing und mich immer weiter zwang - ich verstand es, ohne nachzudenken. Es war wie das grausame Spiel, das wir gespielt hatten, als wir Kinder waren. Die Großen hatten verletzte Karnickel oder kleinere Ratten nicht gleich getötet, sondern laufen lassen, damit wir Kleinen mit Pfeil und Bogen an ihnen trainieren konnten. Damit wir lernten, selbst Beute zu erlegen. Ich hatte die Grausamkeit damals verdrängt - so ist es eben, das Leben - und genau so tat ich es heute.
    Ich kämpfte mich einfach immer näher an den Wald heran, als würden Glocken läuten und Fanfaren jubilieren, sobald ich im Schatten der Bäume war. Als hätte ich es dann geschafft und der Percent wäre besiegt. Ich zog die Jacke aus und warf sie auf den Boden, auf dem der Schnee inzwischen nicht mehr schmolz, sondern in einer löchrigen Schicht liegen blieb. Außerdem wickelte ich das Seil stramm um meine Hand, damit es nicht im Weg war. Und ich rannte erneut. Ich war dem Wald so nah, dass ich das scharfe Harz schon riechen konnte, das feuchte Holz und das vermodernde Laub. Mit jedem Keuchen kam ich ihm näher. Meine Sohlen rutschten über den schneegepuderten Boden, aber ich durfte nicht fallen. Nicht fallen, nur rennen, nur rennen, nur -
    Ein weiteres Mal sah ich ihn kommen. Seine Hand schloss sich um den Kragen meines Hemdes, seine Finger verfingen sich in meinem Haar.
    Nein! Er würde mich nicht mehr zu Boden werfen, nie wieder! Ich drehte mich und ließ mich fallen. Es schien in meinem ganzen Körper zu krachen, als ich auf dem Rücken aufschlug. Ich zog die Knie an den Körper, wartete eine Sekunde, bis der Percent so nah war, dass ich die winzigen, beweglichen Membranen seiner Haut erkennen konnte, und trat mit beiden Beinen zu. Er versuchte, sich auf mich zu stürzen, und ich erwischte ihn mit beiden Stiefelsohlen genau im Magen. Mein Tritt bestimmte die Richtung, der Schwung seines Körpers erledigte den Rest. Er stöhnte, ein kurzer, überraschter Laut. Dann flog er in hohem Bogen über mich hinweg.
    Ich kämpfte mich auf die Füße und stolperte von ihm fort, so schnell meine zitternden Beine mich trugen. Er lag zwischen mir und dem schützenden Wald, also musste ich einen Umweg laufen. Der kurze Kampf hatte mir etwas Zeit verschafft, aber mehr nicht. Der Percent kam langsamer auf die Beine als ich. Er rieb sich das Kinn, an seiner Lippe klebte etwas Dunkelrotes. Vielleicht hatte er sich ernsthaft verletzt. Das war meine Chance. Ich biss die Zähne zusammen. Vor Anstrengung blubberte Blut in meiner Nase. Er stand auf und blieb in einer raubtierhaft geduckten Haltung stehen. Noch immer hetzte er mich. Er musste sich dazu nicht bewegen, er jagte mich allein mit seinen Augen. Ich versuchte, seinem Blick zu entkommen, aber kaum verengte er die Lider, zurrten sich meine Muskeln zusammen und verweigerten mir die Mitarbeit. Seine Blicke waren mehr als einfach nur Blicke. Sie waren wie Strom, wie Magie. Eine böse Macht, die mich trotz der Entfernung berührte. Ich spürte das Knistern auf meiner Haut, ähnlich dem Gefühl, dass man manchmal vor einem Gewitter hat, wenn die elektrisch geladenen Wolken so tief hängen, dass man in sie hineingreifen könnte.
    Ich war paralysiert.
    Er kam nicht näher, verlagerte nur sein Gewicht. Seine Muskeln bewegten sich

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