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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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auf das Ende warten als hier unten. Lass uns etwas schwören, Joshie. Schwör es mir: Das Letzte, was wir beide sehen werden, wird die Sonne sein.«

17
    ich bin joy. soldat.
    Am nächsten und übernächsten Tag ließ Neél mich in Ruhe. Am frühen Morgen verließ er die Zelle, bei Nacht kehrte er zurück. Er sprach kein Wort zu mir und auch ich schwieg. Meine Muskeln pochten dumpf bei jedem Pulsschlag. Auf der Pritsche hockend, machte mich das fast verrückt. Nach einer Überanstrengung hat man das Gefühl, beim Stillsitzen zu spüren, wie die Gelenke zu rosten beginnen und die Sehnen verhärten. Ich brauchte Bewegung, aber mehr als ein paar Dehnungsübungen und Liegestütze waren in der engen Kammer nicht möglich. Ich stellte eine Kerze auf und boxte gegen den Schatten, den sie mir zur Seite stellte.
    Mina kam, brachte mir Essen sowie einen herb riechenden Aufguss aus getrockneten Ringelblumen, mit dem ich meine Wunden abtupfen sollte. Sie half mir beim Waschen und Nähen meiner Kleidung. Meine Fragen blieben unbeantwortet, bis auf eine.
    »Bist du Clouds Dienerin?«, fragte ich unbehaglich, den Blick auf mein Nähzeug gerichtet. Sensible Gespräche waren nie meine Stärke gewesen, weniger noch als korrekt vernähte Säume. Ich fürchtete, Mina zu verletzen; Wunden aufzureißen, die sie vor mir verstecken wollte. Trotzdem musste ich wissen, ob der Percent sie in sein Bett zwang, und sei es nur der Hoffnung wegen, sie könnte lachend verneinen. »Oder ist es ...?«
    Sie berührte ihr Dekolleté, strich über irgendetwas, das sie unter ihrer Kleidung versteckte, dort, wo ich die Metallmarke getragen hatte. Dann sagte sie in einem Tonfall, als wäre es selbstverständlich: »Wir haben Anspruch aufeinander erhoben.«
    Ich nickte, ohne den Blick zu heben. Der Saum am Ende des Hosenbeins musste fest vernäht werden, sonst würde ich ihn gleich wieder aufreißen. Ich konzentrierte mich mit aller Kraft auf die richtigen Stiche, um nicht begreifen zu müssen, was Mina gesagt hatte.
    • • •
    Am Abend, als ich unter meiner Decke im Bett lag und um mich herum nichts als Kälte, Stille und Vollmondschatten herrschten, gingen mir ihre Worte ungefiltert durch den Kopf. Er hatte Anspruch auf sie erhoben. Das beantwortete meine Frage, in welchem Bett sie schlafen musste. Doch wenn ich die sozialen Strukturen der Percents richtig einschätzte, bedeutete dies auch, dass sie kein Allgemeingut mehr war, wie Giran es genannt hatte. Es erklärte auch, warum Neél vor ihr kuschte. Dass sie ein Mensch war, verlor an Bedeutung; sie war Clouds Mensch, was ihr einen hohen Rang zusicherte. Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas tatsächlich möglich war. Wie hatte sie gesagt? Wir haben Anspruch aufeinander erhoben.
    Ich ließ den Gedanken zu, beim Chivvy nicht entkommen zu können und dennoch zu überleben. Würde jemand Anspruch auf mich erheben? Ober sollte ich, wenn ich kein Soldat mehr war, Allgemeingut werden? Mein Blick schweifte von einer Schattenecke in die andere. In jeder hockten schwarze Zukunftsszenarien wie lauernde Tiere. Pest oder Cholera - so hatte unser alter Laurencio derartige Perspektiven genannt. Armut oder Elend.
    Schaudernd rollte ich mich enger in die kratzige Wolldecke, zog sie bis zu meiner Nasenspitze hoch. Ich musste härter trainieren. Noch heute Nacht würde ich Neél Bescheid geben, dass ich genesen war. Meine Schläfe schillerte in Blau- und Violetttönen und um meinen Hals lag ein Ring aus roter, aufgescheuerter Haut. In meiner Schulter hatte sich ein dumpfer Schmerz eingenistet. Aber das waren nur Kleinigkeiten. Ich war kampfbereit und musste zurück ins Training. Das Herumsitzen in der Zelle ließ meinen Verstand gegen die Schädelknochen tosen wie Wellen gegen ein Kliff. Und ich war nicht aus Stein. Ich würde verrückt werden, wenn ich nicht wenigstens kurzfristig hier rauskam, was die Gedanken zum Schweigen bringen würde.
    Die Tür wurde aufgestoßen, doch Neéls Name blieb mir im Hals stecken, als er hereinkam. Ich hatte dringend mit ihm sprechen wollen, doch er brachte eine solche Aggression mit sich, dass ich mich schlafend stellte. In fahrigen Bewegungen streifte er Jacke und Hemd ab. Von ihm ging ein irritierender Geruch aus. Scharf wie vom Schmauch vieler Pistolen und darunter metallen und süßlich. Trocknendes Blut. Es war der Geruch von Krieg und Tod, aber das war nicht das Schlimmste. Zorn umgab ihn, Wut ... Mordlust. Neél schleifte Hass hinter sich her wie rasselnde Ketten. Ich spürte

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