Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
Vom Netzwerk:
voran.
    Wir verließen den Wald. Der Schnee auf freiem Feld machte mich langsamer. Über uns spannte sich der bleigraue Himmel, den Dark Canopy geschaffen hatte. Ich hatte ihn nie so finster erlebt, nie so tiefhängend gesehen. Er drückte auf mich nieder und zerquetschte unter sich alles, was mich ausmachte.
    Ich fiel.
    Wie sehr meine zerkratzten Wangen gebrannt hatten, spürte ich erst, als sie in den Schnee sanken. Für die Dauer eines Gedankens linderte die Kälte den Schmerz. Dann hörte ich Stimmen, die von überall zu kommen schienen. Es mussten Hunderte sein, aus allen Richtungen drangen sie auf mich ein. Wütend klangen sie, zynisch, verärgert. Ich verstand keine einzige. Der Schnee dämpfte alle Geräusche, Bilder und Empfindungen, wie kurz zuvor, als ich fast in ihm erstickt wäre.
    • • •
    »Joy. Joy!«
    Es war eine Ewigkeit her, seit mich jemand bei meinem Namen gerufen hatte. Ich schlug die Augen auf und erwartete, meinen Vater zu sehen. Oder Matthial. Meinetwegen auch Mars. Stattdessen sah ich in die schräg stehenden Schlangenaugen eines Percents. Enttäuscht ließ ich den Kopf zur Seite fallen, doch dann erklang mein Name wieder.
    »Joy!«
    Mühsam kämpfte ich die wunden Lider wieder hoch und sah mich um. Doch hier war niemand, der meinen Namen sagte. Nur Steine, Schnee, Neél und ich. Entweder ich halluzinierte oder er war es, der meinen Namen gerufen hatte. Warum sollte er das tun? Das hatte er noch nie gemacht. Aber es bestand kein Zweifel, er war es, der neben mir hockte, beide Knie eine Handbreit im Schnee versunken. Mein Kopf lag auf warmem Leder. War das eine Jacke? Seine Jacke? In meiner Nase nistete ein eigenartiger Geruch, aber ich erkannte ihn nicht. Das Atmen fiel noch immer schwer. Mit geschwollenen, tauben Fingern tastete ich an meinen Hals, um das Seil zu lockern, aber ich konnte es nicht finden.
    »Bekommst du Luft?«, fragte er. »Joy?«
    »Ich habe es nicht geschafft«, flüsterte ich heiser.
    Er gab ein Geräusch von sich, das wie ein Seufzen klang. »Nein, das hast du nicht. Du hattest Pech, dass Giran in der Nähe war. Er hat unseren Kampf beobachtet.«
    Ich nickte schwach, was in der Kehle schmerzte. Es war also Giran gewesen. Der Varlet, den ich an meinem ersten Tag im Gefängnis in der Dusche kennengelernt hatte. Zu meinem größten Bedauern.
    »Steh auf«, sagte Neél.
    Ich war mir sicher, dass mir das nie im Leben gelingen würde. War irgendeiner meiner Knochen nicht zu Brei geschlagen? Aber Neél nahm mich unter den Achseln und stellte mich ungerührt auf die Füße. Meine Knie waren weich wie Schwämme, ich knickte ein und fiel gegen ihn. Für einen Moment musste er mich festhalten. Eine bessere Motivation, mich zusammenzureißen, konnte er mir kaum geben.
    »Es geht schon«, krächzte ich und drückte mich von ihm ab. »Es geht. Lass los, ich kann stehen.«
    Neél machte einen Schritt zurück und hob seine Jacke vom Boden auf. Darunter lagen die Stricke, mit denen Giran mich gefesselt hatte. Sie sahen aus wie zwei zertretene Schlangen. Harmlos. Wie Würmer.
    Giran war verschwunden. Hätten nicht die Hufabdrücke seines Pferdes den Schnee aufgewühlt, hätte ich annehmen müssen, ihn mir nur eingebildet zu haben.
    Ich rieb mir den Hals und bewegte die Beine. Die Hosensäume schlackerten in Fetzen an meinen zerkratzten Waden hin und her. Um die Hose zu retten, würde ich die ganze Nacht nähen müssen. Der Gedanke war skurril - mit meinen geschundenen Händen würde ich sicher tagelang nichts nähen können.
    Neél klopfte den Schnee von seiner Jacke ab und zog sie über, ohne den Blick auch nur eine Sekunde von mir abzuwenden.
    »Keine Angst«, meinte ich zynisch und grub die Fäuste in die Taschen. »Ich denke nicht, dass ich heute noch einen Fluchtversuch wagen werde. Glaube kaum, dass ich weit käme.«
    Er lachte - der Dreckskerl lachte über mich! Dabei drehte er den Kopf und ich konnte die Bissverletzung an seinem Kiefer sehen. Sie war tief und auch wenn er sie oberflächlich gesäubert hatte, trat immer noch ein wenig Blut aus. Die erwartete Genugtuung stellte sich nicht ein, stattdessen schämte ich mich, ihn wie ein Tier gebissen zu haben. Es war vergebens gewesen - das war das Schlimmste.
    »Unter fairen Bedingungen hätte Giran mich nicht erwischt.« Ich wollte mich für mein Versagen rechtfertigen und hob trotzig das Kinn.
    Neél hielt meinem Blick stand. »Gewöhn dich dran. Pferde sind auch im Chivvy erlaubt. Uns - nicht dir.«
    »Pistolen

Weitere Kostenlose Bücher