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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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sagen ... erklären ...«, japste er. Seine Augen rollten nach innen und ich fragte mich, ob ein Percent wohl tatsächlich ohnmächtig werden konnte wie ein Mensch. Es sah ganz danach aus. Er krächzte etwas. Es klang wie mein Name, wenn man ihn mit den Fingernägeln auf ein Stück Tafel schrieb.
    »Du willst mir etwas sagen?«, fragte ich schmeichelnd. Es war so leicht, ich musste mich gar nicht anstrengen, ihn zu strangulieren. Es war zu leicht. Denn gleichzeitig wurde mir klar, dass ich die Dummheit meines Lebens begang. Ich konnte ihn töten - nun wusste ich ganz sicher, dass ich dazu in der Lage war -, aber die Türen blieben verschlossen und die Tore bewacht. Ich würde hier nicht rauskommen.
    Er nickte, soweit er konnte, würgte ein Ja hervor.
    »Ich weiß nicht, ob ich es hören will. Neél.«
    Seine Fingerspitzen, die unter dem Seil hervorlugten, waren inzwischen lila. Ich konnte ihm aus meiner Position nicht in die Augen sehen, dabei hätte es mich interessiert, ob sie wohl hervorquollen. Ob die winzigen Adern rissen. Ob sie den Glanz verloren wie bei einem erlegten Tier, wenn es stirbt.
    Meine Grausamkeit schockierte mich. Hastig rollte ich das Seil von meinem Unterarm, um es zu lockern. Das ausgedörrte Leder hatte mir in die Haut geschnitten. Ich hatte es nicht gemerkt.
    Im nächsten Moment bekam er die Hände frei und versetzte mir einen Stoß, der mich aus dem Bett katapultierte. Ich hob den Arm, um mich vor einem Schlag oder Tritt zu schützen, der nicht erfolgte. Er blieb auf seiner Bettkante sitzen, lehnte sich weit nach vorne, rang nach Luft, hustete und spuckte auf den Boden.
    Ich sprang auf die Füße, sah auf ihn herab und beschwor jeden meiner Nerven, mich jetzt nicht im Stich zu lassen. Ich hatte ihn nicht getötet. Wie ich Jones nicht getötet hatte, damals im Wald. Wenn für Percents ein Ehrgefühl existierte und dies nicht bloß mein Wunschdenken war, dann wurden unsere Karten in dieser Sekunde neu gemischt.
    Ich hob das Kinn. Dann drehte ich mich langsam zum Fenster und wandte ihm ganz bewusst den Rücken zu. »Was wolltest du mir eben sagen, Neél?«, fragte ich kühl und ließ seinen Namen schwingen - »Niejell«. Mein Atem beschlug die Scheibe und die Welt da draußen verlor sich im Nebel.
    Er hustete. »Dass ich ... dass ich keine Luft bekomme.«
    Jetzt stand es unentschieden - so sah ich das zumindest. Und Neél schien mir zuzustimmen, denn die befürchtete Rache blieb aus. Aber wer wusste schon, was in seinem Kopf vorging? Für ihn war es vielleicht nichts weiter als ein verlorener Punkt in einem Spiel, das er so sicher gewinnen würde, wie nach jedem Sommer wieder Herbst und Winter kamen.
    »Du bist wütend«, sagte er. Ich genoss es, dass seine Stimme rauer klang als sonst.
    »Ach, wirklich?« Immer noch wandte ich ihm den Rücken zu. Ich wollte nicht, dass er mein Gesicht sah. Ich wollte nicht, dass er mich für feige hielt. Ich wollte ... ach, verdammt, ich wollte nicht, dass er sah, wie ich gegen Tränen kämpfte, die ich selbst nicht verstand.
    »Ich dachte, du möchtest wissen, warum ich den Pass in den Hof geworfen habe.«
    Es war typisch für ihn, dass er es mir nicht einfach sagte. Nein, ich musste ihn fragen. Ihn bitten. Selbst jetzt, nachdem ich ihn fast erdrosselt hatte, besaß er noch die Ruhe, mir seine Macht zu demonstrieren.
    »Sag es mir«, verlangte ich leise, nachdem er auf mein Schweigen wie erwartet nicht reagierte.
    »Ich wollte wissen, ob du ehrlich bist. Ob ich mich auf dich verlassen kann.«
    Ich lachte, bitter und zynisch. Sein Plan war ja toll aufgegangen. »Jetzt weißt du, worauf du dich bei mir verlassen kannst.«
    »Ich habe nicht damit gerechnet, dass Giran dich erwischen würde. Das war nicht geplant.«
    Was sollte das werden? Es klang fast ... wie eine Entschuldigung.
    »Dir ist klar, warum ich den Diebstahl gemeldet habe, oder?«, fuhr er fort. »Warum ich es musste.«
    Ich drehte mich zu ihm um und verschränkte die Arme vor der Brust. »Um mich zu demütigen? Um mir an die Wäsche zu gehen? Um mir zu zeigen, dass du -«
    »Um Giran zuvorzukommen.«
    Ich biss mir auf die Lippe. Verstand nicht, was seine Worte bedeuteten, und verstand es doch.
    Er schien meine Gedanken zu lesen und nickte leicht. »So ist es, Soldat. Wer den Diebstahl meldet, hat das Recht, den Beschuldigten zu durchsuchen. Giran hätte behauptet, du stiehlst, um dich ungestraft in diese Zelle zu zerren und dich bis auf die Haut und noch darunter auseinandernehmen zu

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