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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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das nicht infrage kam.
    »Halt den Mund.« Er schoss einen Blick voller Verachtung auf mich ab und lehnte sich so nah zu mir, dass ich seinen Atem spüren konnte, als er sagte: »Ich würde lieber glühende Kohlen anfassen als dich.«
    »Tu dir nur keinen Zwang an.«
    Er schenkte mir keinen Zentimeter Abstand, blieb so dicht bei mir, dass ich das Verengen seiner Pupillen wahrnahm. Ich konnte nicht zurückweichen. Unter meinem linken Fuß lag das Dokument und eine falsche Bewegung würde das Versteck verraten. Also regte ich keinen Muskel und stierte durch ihn hindurch.
    »Gut«, sagte er schließlich und drehte sich so schnell weg, dass ich den Luftzug auf der Haut spürte.
    »Schon zufrieden?« Es war so blöd, ihn zu provozieren. So blöd und doch nicht zu verhindern.
    »Reicht es dir nicht?«, spottete er. »Ich muss dich enttäuschen, Soldat, aber Weiber zu schänden, ist nicht nach meinem Geschmack.«
    »Das hast du zweifellos schon ausprobiert«, zwängte sich mein Zorn an meiner Vernunft vorbei.
    »Oft genug gesehen.« Er verließ den Raum so schnell, als würde unerträglicher Gestank ihn treiben. Die Tür knallte.
    Ich versuchte, seine Antwort einzuschätzen, aber mein Schlottern raubte mir die Konzentration. Wenige Sekunden später kam er schon zurück und warf mir meine Kleider und Schuhe vor die Füße.
    »Zieh dich an, wir gehen.«
    Noch einmal wurde es kritisch, denn ich musste es schaffen, das Dokument in meine Kleidung zu bekommen, ohne dass er es bemerkte. Zum Glück warf er einen finsteren Blick aus der Zelle hinaus, sodass ich es rasch in meine Socke schieben konnte. Erleichtert, es überstanden zu haben, schlüpfte ich in Hemd, Hose und Schuhe und warf mir die Jacke über. Anschließend musste ich noch einmal ins Vorzimmer. Zu meinem Erstaunen saß Giran am Schreibtisch und unterhielt sich leise mit dem Schriftführer. Dieser zuckte mit den Schultern und machte ein bedauerndes Gesicht, als ich eintrat.
    Er zog ein beiseitegelegtes Schriftstück heran, offenbar das Protokoll meiner Durchsuchung, und reichte es Neél, der sich dicht neben Giran über den Tisch beugte, nach einem Stift griff und es Unterzeichnete.
    »Ich muss mich für die Umstände entschuldigen«, sagte er an den Schriftführer gewandt, dann blickte er Giran an. »Offenbar habe ich mich geirrt. Es fehlt nichts und die Untersuchung ergab, dass der Soldat nichts Unerlaubtes bei sich trägt.« Er sagte das in seinem üblichen neutralen Ton, doch ich glaubte, ein wenig Selbstgefälligkeit in seiner Miene zu erkennen.
    Giran kniff den Mund zusammen. Neél konnte es aus seiner Perspektive nicht sehen, aber Giran ballte unter dem Tisch beide Fäuste.
    »Tja, tut mir leid, Giran. Komm das nächste Mal rechtzeitig.« Der Schriftführer grinste schmierig, wobei ein verfaulter Schneidezahn sichtbar wurde. Ob sie ihn hier zwischen die Akten setzten, weil er nicht zur Homogenität der anderen Percents passte? Weil er nicht perfekt aussah, sondern fast so wie ... ein Mensch?
    Ich dachte über seine Worte nach, während ich mit Neél in unseren Wohnbereich zurückkehrte. Auch er schien in Gedanken, so-dass ich mich nicht wagte, unbedarfte Fragen zu stellen. Immer noch war ich mir sicher, dass er ahnte, wenn nicht gar wusste, dass ich sehr wohl etwas durch die Kontrolle geschmuggelt hatte. Aber wie sollte ich ihn das erfahren lassen, ohne mächtige Probleme zu riskieren, falls ich mich irrte?
    Zu meinem Erstaunen war es Neél, der das Schweigen brach, nachdem er die Tür zu unserem Raum hinter uns geschlossen und verriegelt hatte.
    »Du solltest dich besser von Giran in Acht nehmen«, sagte er, setzte sich auf sein Bett und legte einen Unterschenkel quer über sein anderes Knie. Die Ellbogen stützte er auf die Oberschenkel, die Unterarme verschränkt. In so einer lässigen Pose sah man ihn selten.
    Ich blickte aus dem Fenster. Der Regen hatte wieder eingesetzt und rann in Linien, die an Adern erinnerten, die Scheiben herab. »Hat Giran ein Problem damit, dass ich hier bin?«
    »Hat irgendjemand - einschließlich dir - kein Problem damit, Soldat?«
    Meine Mundwinkel zuckten reflexartig. »Aber Giran hat im Gegensatz zu mir keinen Grund dazu.«
    Ich hörte die Decken rascheln, als Neél sein Gewicht verlagerte. »Er will gewinnen.«
    Was wollte er mir damit sagen? Dass Giran glaubte, ich hätte bessere Chancen, nicht gefangen genommen zu werden, als sein eigener Soldat? Dachte Neél das auch? Nein, eher nicht. Es war nicht lange her, dass er vor

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