Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)
aufgegeben, dass du eines Tages zurückkehrst.»
Miro war der Einzige, der noch immer etwas unversöhnlich dreinblickte. Aber Nayati stupfte ihn mit der Schnauze ans Bein und meinte: Jetzt sag schon was. Wenn sie ein Teil der uralten Prophezeiung ist – und Mutter würde euch nicht belügen –, dann hast du kein Recht, sie wieder fortzuschicken. Überwinde deinen Stolz und heiße sie willkommen zurück im Team.
«Also gut», sagte Miro zerknirscht. «Wir nehmen dich mit. Aber wehe, du versuchst uns reinzulegen.»
Katara löste die Halterung mit der Schwertscheide von ihrem Gürtel, zog das Schwert aus dem Boden und streckte Miro beides hin. «Wenn das passieren sollte, darfst du zustechen.»
Miro räusperte sich verlegen. «Ist schon gut. Behalte das Schwert.» Er hob seine Tasche vom Boden auf. «Wir sollten uns besser auf den Weg machen, bevor die Sicherheitsgarde hier aufkreuzt.»
Katara steckte das Schwert in die Scheide und hängte es sich zurück an ihren Gürtel. «Danke», sagte sie erleichtert und sah jeden einzeln an. Erst jetzt bemerkte sie, dass jemand fehlte. «Wo ist eigentlich Ephrion?»
Bei dieser Frage zuckten die Jugendlichen kaum merklich zusammen und senkten die Köpfe. Katara war sofort klar, dass etwas geschehen sein musste, etwas Schreckliches.
«Ist ihm etwas zugestoßen?», fragte sie ahnungsvoll, da alle betreten schwiegen.
Aliyah nickte und sah sie traurig an. «Er ist tot», sagte sie leise.
Katara erstarrte, als sie das hörte. «Ephrion ist … Was ist geschehen?»
«Er hat mir das Leben gerettet», antwortete Joash und warf sich seinen Rucksack über die Schulter.
«Vorgestern Morgen ist er einfach nicht mehr aufgewacht», ergänzte Miro.
Katara wusste nicht, was sie sagen sollte. «Das tut mir leid», murmelte sie betroffen.
«Uns auch», seufzte Aliyah. Die Erinnerung an Ephrion legte sich wie ein Trauerschleier auf die Gefährten, und für einen Moment verharrten sie in andächtiger Stille. Dann mahnte sie Miro erneut zum Aufbruch, und nachdem sie ein paar Bissen Brot und Trockenfleisch verzehrt hatten, brachen sie auf.
«Wo gehen wir überhaupt hin?», fragte Katara.
«Wir suchen nach einem Drachen im Shirí-Gebirge», erklärte Miro knapp.
«Ein Drache? Ihr sucht nach einem lebendigen Drachen?»
«Coole Sache, nicht?», grinste Joash. «Der Drache wird uns helfen, über die Mauer zu kommen.»
«Über die Mauer? Mit einem Drachen? Das ist der Plan?»
«Ja, das ist der Plan», nickte Miro. «Du brauchst natürlich nicht mitzukommen, wenn du Angst hast.»
«Angst?» Katara lachte. «Ich habe keine Angst. Aber warum wollt ihr über die Mauer?»
«Der König, dessen Name nicht genannt werden soll, befindet sich auf der andern Seite der Mauer», erklärte ihr Aliyah. «Und wenn wir ihn finden, finden wir auch den dritten Teil des Buches der Prophetie.»
«Aha», machte Katara und dachte kurz über das Gehörte nach. «Und wie wollt ihr den Drachen finden?»
«Mit einer Karte», sagte Miro und berichtete knapp, wie sie die Karte gefunden hatten und dass Nayati sie lesen konnte.
«Ich hoffe bloß, wir finden den Drachen, bevor die Soldaten uns finden», gab Katara zu bedenken.
«Und hoffentlich stehen Menschen nicht auf seinem Speiseplan», piepste Sihana etwas bange und fuhr sich mit ihrem pinkfarbenen Lippenstift über die Lippen.
Sie machten sich auf den Weg. Nayati sprang abenteuerlustig voraus, und die fünf Jugendlichen folgten ihm, Miro an der Spitze, gefolgt von Sihana und Aliyah, und Joash bildete zusammen mit Katara und ihrem Pferd den Abschluss. Die beiden gingen eine Weile schweigend nebeneinander her.
«Du bist also der Gefangene aus Zelle Nummer dreiundvierzig», stellte Katara plötzlich fest. «Ich hab die Gitterstäbe gesehen, die du im Kerker verbogen hast. Beeindruckend.»
«Ach, das war ein Kinderspiel», grunzte Joash. «Je wütender ich bin, desto stärker werde ich.»
«Dann sollte man dich wohl besser nicht reizen.»
«Dich aber auch nicht», meinte Joash. «Die Nummer mit dem Schwert, die du vorhin abgezogen hast. Stark, ey. Voll abgefahren.»
Katara lächelte. Dann piekste sie ihn spitzbübisch in die Seite. «Sag mal. In Pinzkrit, wie lange hast du da eigentlich unter dem Balkon gestanden und zu mir hochgestarrt?»
Joash setzte eine Unschuldsmiene auf. «Ey, woher willst du wissen, dass ich das war?»
«Falls es dir noch niemand gesagt hat: Ich sehe im Dunkeln», entgegnete Katara. «Ich hab deine Augen genau gesehen. Du hast
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