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Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)

Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)

Titel: Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damaris Kofmehl , Demetri Betts
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Kerzen hab ich in meinem Leben noch nicht gesehen. Wenn die Sicherheitsgarde davon wüsste …»
    Im ganzen Land war es nämlich verboten, mehr als sechs Kerzen pro Haushalt zu besitzen. So schrieb es das zweite Gebot Drakars vor, in dem es unmissverständlich hieß:
    Alle Bürger von Dark City sind verpflichtet, Licht zu sparen. Wer ohne Genehmigung im Besitz von mehr als sechs Kerzen ist oder unerlaubt Feuer entfacht, wird mit Lichtentzug bestraft.
    Immer wieder führte Drakars Sicherheitsgarde Lichtkontrollen durch. Bei wem mehr als die erlaubte Anzahl Kerzen gefunden wurde, dem wurde zur Strafe sämtliches Licht entzogen. Das war etwas vom Grässlichsten, was es gab. Ohne Licht leben zu müssen, kam in manchen Fällen einem Todesurteil gleich. Menschen, die für lange Zeit im Dunkeln eingesperrt waren, verloren den Verstand. Seitdem der Nebel das Sonnenlicht verschluckt hatte und Drakar sämtliche Lichtquellen, von der Kerze übers Feuer bis zum künstlichen Veolicht, kontrollierte und vorschrieb, wer es besitzen sollte und wem es vorenthalten werden sollte, waren ihm alle Bürger von Dark City auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
    Nicht, dass das Volk sich deswegen beklagte. Im Gegenteil. Schon Drakar der Erste hatte es verstanden, die Wahrheit zu seinen Gunsten zu verdrehen. Mit der Erfindung von Veolicht war er als Retter der Nation aufgetreten, und auch seinem Sohn, Drakar dem Zweiten, fraßen die Menschen aus der Hand. Mit Zuckerbrot und Kerzenlicht erkaufte er sich ihre treue Ergebenheit. Sie rühmten seine Güte, obwohl die meisten kaum das Nötigste zum Leben hatten.
    «Die Sicherheitsgarde lässt sich bestimmt gut für ihre Blindheit bezahlen», meinte Joash verärgert. «Mit genügend Geld kann man sich jedes Schweigen erkaufen. Dreckskerle.»
    Er steckte eine Zunderbox ein und nahm einen Rucksack von einem Haken, um ihn mit Reiseproviant und auch einigen Zinnbechern vollzustopfen. Miro tat dasselbe, und Ephrion klaubte so viele Kerzen vom Regal, wie er mit zwei Händen halten konnte, und musste an all die dunklen Häuser denken, an denen sie vorbeigekommen waren. Nicht einmal das wenige Licht, das Drakar seinen Untergebenen erlaubte, hatte aus den Fenstern geschienen. Er senkte betrübt den Blick, und die ganze Ungerechtigkeit brannte ihm unter den Nägeln. Jemand musste etwas tun. Sie konnten das Ganze doch nicht einfach auf sich beruhen lassen.
    «Bevor wir weiterziehen, sollten wir den Menschen Licht bringen», murmelte er plötzlich gedankenversunken. Die Jugendlichen horchten auf. Die Jungs tauschten in stiller Übereinkunft ein paar Blicke aus, Nayati hechelte erwartungsvoll, und auch Aliyah war von der Idee genauso angetan wie alle andern.
    «Ja, das sollten wir tun», meinte sie.
    «Und ihren Hunger stillen», räumte Joash ein.
    «Wir könnten sie alle herholen», schlug Miro spontan vor, selbst überrascht von seinem Enthusiasmus, etwas für andere und mal nicht für sich selbst tun zu wollen.
    Joash winkte ab. «Du hast den ‹Meister› gesehen, dem die Bude hier gehört. Die Leute würden keinen Fuß in diese Scheune setzen, glaub mir. Die sind eingeschüchtert wie kleine Kinder.»
    «Wie machen wir es dann?», fragte Miro.
    «Wir bringen die Scheune zu ihnen», sagte Joash.
    «Und wie willst du das anstellen?»
    «Mir wird schon was einfallen, Hirn. Verlass dich drauf.»
    Eine gute halbe Stunde später durchbrach das zweite Krachen an diesem Abend die erdrückende Stille über Bellkje, als die vordereScheunenwand von einem Planwagen durchbrochen wurde. Aber es waren keine Pferde, die vor den Karren gespannt waren – es war Joash! Aliyah, Miro und Ephrion saßen auf dem Kutschbock, Nayati sprang vergnügt bellend neben ihnen her, und Joash, obgleich ihm die stechenden Schmerzen in seiner Brust schier den Atem raubten, hatte sich ein Seil über die Schulter gelegt und zog den Planwagen über die gefurchte und schmutzige Straße Richtung Dorfplatz.
    Das war vielleicht ein Anblick! Neugierige Köpfe erschienen an den Fenstern. Zerlumpte Kinder rannten auf die Straße und schauten mit großen Augen dabei zu, wie das schwer beladene Fuhrwerk sich durch den Schlamm pflügte, gezogen von einem wild aussehenden Burschen mit Filzlocken, die ihm ein gutes Stück bis unter die Hüften reichten. So etwas hatten sie noch nie zuvor gesehen.
    «Was habt ihr geladen?», fragte ein Mädchen.
    «Speis und Trank für alle!», rief Ephrion.
    «Und Kerzen, so viel ihr tragen könnt!», ergänzte

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