Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)
geflochten, die sie sich in komplizierten Windungen hochgesteckt hatte. Sie trug ein elegantes gelbes Kleid mit einem samtgrünen Kapuzenumhang mit Kordel, was darauf schließen ließ, dass sie aus noblen Kreisen stammte. Irgendwie passte sie nicht ins Bild von Planwagen und schmutzigen Straßen. Sie redete mit demselben Händler, den auch sie angesprochen hatten, und zeigte ihm ein Bild. Der Mann schüttelte den Kopf, die Frau steckte das Bild unter den Umhang, hustete, sah sich kurz um und steuerte dann geradewegs auf die Jugendlichen zu.
«Entschuldigt bitte», sagte sie mit dünner Stimme und griff unter ihren Mantel. «Seid ihr irgendwo diesem Mann begegnet?» Sie holte das Bild hervor und streckte es ihnen entgegen. «Es ist mein Mann. Er ist seit einiger Zeit verschwunden. Sein Name ist Sheldon.»
Im selben Moment fielen den Jungs die Kinnladen herunter. Sie erkannten den Mann auf dem Bild sehr wohl! Ja, sie konnten sich sogar sehr genau an ihn erinnern!
«Bei Shaíria. Das ist doch …»
«Der Glatzköpfige!»
«Der mit dem Mantel!»
«Ihr kennt ihn?» Das Gesicht der fremden Frau hellte sich auf. Ihre dunklen Augen füllten sich mit Hoffnung. Obwohl sie mit ihrer blassen Hautfarbe und den dunklen Ringen unter den Augen aussah wie weit über sechzig, hatte sie wunderschöne Augen mit langen Wimpern. Sie musste wohl einmal eine sehr schöne Frau gewesen sein.
«Nun, wir kennen ihn nicht wirklich», räumte Miro ein. «Wir sind ihm nur ganz kurz begegnet.»
Erwartungsvoll schaute sie die Jugendlichen an. «Wo? Wann?»
«Gestern in Dark City.»
«Gestern?!» Ein Hustenanfall schüttelte die Frau. «Ist das auch wirklich wahr?» Sie zeigte ihnen das Bild nochmals, um jeden Zweifel auszuschließen. Ihre Hände zitterten vor Aufregung. Aber es waren nicht die Hände einer alten Frau. Es waren zarte, geschmeidige Hände. «Er ist es wirklich gewesen? Da seid ihr euch ganz sicher?»
«Tausendprozentig», versicherte ihr Ephrion. «Wie könnten wir ihn vergessen? Er hat uns das Leben gerettet!»
«Er hat euch … mein Mann hat euch das Leben gerettet?»
«Das hat er allerdings», sagte Ephrion und nickte bedeutungsvoll. «Er hat uns wegteleportiert sozusagen, es war völlig irre, und dann war er auch schon wieder verschwunden, ging alles ganz schnell.»
«Er ist am Leben», hauchte die Frau, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. «Mein Sheldon ist am Leben.»
«Wie lange ist es denn her, seit er fortgegangen ist?», erkundigte sich Miro.
Mona sah ihn an, und der Schmerz in ihrer warmen Stimme war nicht zu überhören. «Zehn Jahre», sagte sie. «Ich habe ihn seit zehn Jahren nicht mehr gesehen.»
«Boah», brummte Joash nachdenklich.
«Und warum ist er weggegangen?», fragte Aliyah.
Die Frau hustete erneut. Es war ein rauer Husten und hörte sich übel an. Ephrion sah sie mitleidig an.
«Ich weiß es nicht», sagte sie dann achselzuckend, als sie sich wieder einigermaßen gefangen hatte. «Ich dachte, er hätte den Verstand verloren. Er redete nur noch von Spinnen und einem Mantel und davon, dass er eine große Mission zu erfüllen hätte.»
«Was für eine Mission?»
Bei jedem ihrer Atemzüge war ein Röcheln zu hören, als sie weitersprach. «Das hat er nie gesagt. Und eines Tages ist er einfach verschwunden. Seither ist kein Tag vergangen, ohne dass ich nicht auf die Straße ging und nach ihm suchte. Aber niemand konnte mir sagen, was aus ihm geworden war. Niemand hatte ihn gesehen. Niemand wusste, ob er überhaupt noch am Leben war …» Erneut kamen ihr die Tränen. «Aber ihr habt ihn gesehen. Mein Sheldon lebt!»
«Und ohne ihn wären wir heute nicht hier, so viel steht fest», ergänzte Ephrion. «Wir verdanken Ihrem Mann unser Leben.»
Die Frau legte sich die Hand auf den Mund und sah die Jugendlichen kopfschüttelnd an. «Sheldon», flüsterte sie bewegt. «Mein Sheldon.»
Eine Weile stand sie einfach nur da, gerührt von den Neuigkeiten, die sie soeben erfahren hatte. Dann wischte sie sich die Tränen aus den Augen, berührte jeden von ihnen sanft an der Schulter und sah sie mit tiefer Dankbarkeit an.
«Ihr müsst zu mir nach Hause kommen. Darf ich euch zum Abendessen einladen? Ich möchte, dass meine Tochter aus eurem Munde hört, dass ihr Vater noch am Leben ist. Sie war sieben, als er verschwand. Sihana hat sehr darunter gelitten, ohne Vater aufzuwachsen.»
«Abendessen klingt gut», meinte Ephrion, ohne lange zu überlegen. «Ich bin dabei.»
Joash räusperte sich. Er
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