Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)
großen Sofa und ein paar bequemen Sesseln ausgestattet war. Ein brennender Kerzenständer und ein Stapel ungewaschenes Geschirr standen auf einem Tisch, und neben einer uralten Standuhr war im Licht der Kerzen eine angelehnte Tür auszumachen. Joash humpelte gekrümmt darauf zu, schnappte sich im Vorbeigehen den Kerzenständer und torkelte damit durch die halboffene Tür. Dahinter befand sich tatsächlich so was wie ein Bad, sehr ungepflegt und übelriechend.
Joash zog die Tür hinter sich zu und stellte den Kerzenständer neben eine verschmutzte Waschschüssel. Dann knöpfte er vorsichtig die genietete Lederweste auf, hob sein Hemd hoch und warf einen Blick auf seine Brust. Sie hatte sich rötlich verfärbt, und jedes Mal, wenn Joash einatmete, tat es höllisch weh. Ohne Zweifel: Der Riese musste ihm mit seinem Fußtritt ein paar Rippen gequetscht und mindestens ein paar weitere gebrochen haben. Joash betrachtete sich eine Weile im Spiegel und zwang sich, angesichts der rasenden Schmerzen einen klaren Kopf zu bewahren. Ein leichtes Schwindelgefühl wollte von ihm Besitz ergreifen, doch er ließ es nicht zu.
Ich kann sie jetzt nicht im Stich lassen, dachte er. Sie brauchen mich.
Er sah sich um. Ein Berg unsortierter Kleider lag in einer Ecke. Joash suchte sich ein Hemd heraus, riss es in Streifen und umwickelte damit seinen Bauch so straff wie möglich. Er verzog das Gesicht vor Schmerzen. Auf einmal schoss ihm ein einziger Gedanke durch den Kopf; ein Gedanke, der ihm sehr vertraut war, den er aber gleich wieder energisch von sich wies.
«Nein», murmelte er zu sich selbst. «Das wirst du nicht tun. Nimm dich zusammen, Mann!»
Er ließ Ephrion ins Bad, der sich inzwischen die Tasche mit dem Buch der Prophetie wieder über die Schulter gehängt hatte.
«Geht’s wieder?», fragte Ephrion.
Joash nickte gequält.
«Ich kann dir helfen», bot sich Ephrion zum zweiten Mal an. «Wirklich.»
«Lass nur, Ephi», winkte Joash ab. «Ich komme schon klar, ey.» Damit ging er zu den anderen zurück.
Aliyah war damit beschäftigt, sich den Beutel mit den Goldmünzen wieder an den Gürtel zu binden, und die anderen sahen sich ein wenig um. Als Ephrion zurückkam, fragte Miro plötzlich:
«Was ist eigentlich mit deinem Haar passiert, Joash? Du siehst aus, als wäre der reinste Dschungel aus deinem Kopf gesprossen. Mit deinen Filzlocken könnte man glatt ein Boot vertäuen.»
Joash zuckte die Achseln. «Schätze, es beginnt zu wachsen, wenn ich an Kraft gewinne oder so was.» Er klaubte seinen Dolch von der Blechtonne und streckte ihn Miro entgegen. «Hab nichts dagegen, wenn du es ein wenig kürzt. Aber nicht zu kurz, sonst werd ich wütend.»
«Dann würde es eh wieder nachwachsen», grinste Miro, und bei der Vorstellung musste er auf einmal laut losprusten. Auch Ephrion und Aliyah lachten mit, und Nayati bellte fröhlich. Es tat richtig gut, nach der ganzen Anspannung etwas zum Lachen zu haben. Auch Joash wollte in das Gelächter mit einstimmen, doch seine gebrochenen Rippen schmerzten derart, dass er rasch wieder damit aufhören musste.
Nachdem sich die heitere Stimmung etwas gelegt und Miro Joashs Löwenmähne auf die Hälfte gestutzt hatte, untersuchten die Jugendlichen die Halle nun genauer. Es war ihnen zu Beginn gar nicht aufgefallen, aber sie befanden sich tatsächlich in einer gewaltigen Speisekammer. Sämtliche Regale, jedenfalls diejenigen, die den Kampf unversehrt überstanden hatten, waren überfüllt mit Getränken und Esswaren aller Art. Es gab alles, was das Herz begehrte, und nicht wenig davon: Maiskolben, Bohnen, gepökeltes Fleisch, Kartoffeln, eingelegte Zuckerhutbeeren, Gemüse, Mehl, Wasser, Blaufruchtsaft, Kaffee und vieles mehr. Die Jugendlichen kamen nicht mehr aus dem Staunen heraus. Und Ephrion lief das Wasser im Mund zusammen.
«Bei Shaíria, damit könnte man eine ganze Armee mehrere Winter lang durchfüttern», murmelte Joash verständnislos.
«Wenn die so viele Vorräte gesammelt haben, warum sind dann die Leute bis auf die Knochen abgemagert?», wunderte sich Miro.
«Vermutlich, weil die armen Schlucker nichts davon abkriegen», schnaubte Joash wütend. «Ist doch immer so: Ein paar Fettwänste sahnen dick ab und machen sich ein schönes Leben, und die breite Masse muss sich um ein paar Brotkrümel streiten.»
«Seht mal hier!», rief Ephrion und winkte sie zu sich herüber. «Kerzen! Überall Kerzen! Tonnenweise Kerzen! Kochkerzen, Backkerzen, Wandkerzen, Hängekerzen. So viele
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