Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)
dachte an die Sicherheitsgarde, der sie am Eingang des Städtchens unweigerlich in die Arme laufen würden.
«Kontrolliert die Sicherheitsgarde nur diese Straße?», fragte er und warf einen beunruhigten Blick an den stehenden Planwagen vorbei.
«Nicht nur diese Straße», antwortete die Frau leise, «in der ganzen Stadt wimmelt es nur so von Soldaten. Sie suchen ein paar Hexen, die aus dem Gefängnis ausgebrochen …» Mitten im Satz hielt sie inne und stolperte einen Schritt zurück. «Bei Shaíria», murmelte sie. Mit großen Augen sah sie die Jugendlichen an, und ihnen allen war klar, was das bedeuten konnte.
«Es ist nicht so, wie Ihr denkt», ergriff Miro rasch das Wort. «Wir sind keine – Hexen.»
«Bitte», flehte Aliyah, «gestern hätten sie uns beinahe gekriegt, wäre nicht Euer Mann aufgetaucht und hätte uns in letzter Sekunde gerettet.»
«Die Sicherheitsgarde hatte uns schon umzingelt», füllte Ephrion die Geschichte mit Details. «Aber da tauchte Ihr Mann wie aus dem Nichts auf und wollte unbedingt, dass wir seinen Mantel berühren. Und als wir es nicht taten, hat er ihn über uns geworfen, und dann, wie schon gesagt, waren wir plötzlich woanders.»
Die Frau wischte sich langsam eine Haarsträhne aus dem Gesicht und atmete schwer. Als würden ihr tausend Gedanken gleichzeitig durch den Kopf gehen, starrte sie für ein paar Sekunden in den Nebel hinein und dachte angestrengt nach. Dann schloss sie kurz die Augen und legte sich die Hand auf die Stirn, als würde sie von starken Kopfschmerzen geplagt. Erneut schüttelte ein starker Husten ihre Brust. Ephrion konnte ihr kaum dabei zusehen, so leid tat sie ihm. Als sie die Augen wieder öffnete, schien sie einen Entschluss gefasst zu haben.
«Kommt», flüsterte sie. «Noch haben die Soldaten nicht in der ganzen Stadt Stellung bezogen. An der Südseite dürfte noch eine Lücke offen sein. Ich kenne da einen Weg.»
«Ihr braucht das nicht zu tun», sagte Aliyah, «wenn Ihr uns helft, seid auch Ihr des Todes. Ihr kennt das dritte Gebot.»
Wer kannte es nicht. Die drei Gebote Drakars wurden jedem Bürger Dark Citys von klein auf eingetrichtert. Wer das erste Gebot übertrat und nicht an einer öffentlichen Hexenverbrennung teilnahm, wurde mit Auspeitschung bestraft. Die Übertretung des zweiten Gebots wurde mit Lichtentzug geahndet. Und das dritte Gebot zu missachten, war purer Selbstmord.
Alle Bürger von Dark City sind verpflichtet, Hexen an den König auszuliefern. Wer einer Hexe Obdach gewährt oder sie in irgendeiner Form unterstützt, wird mit dem Tode bestraft.
Anstatt etwas auf Aliyahs Warnung zu erwidern, schob die Frau die Jugendlichen von der Straße weg und bedeutete ihnen, ihr zu folgen. Sie führte sie ein gutes Stück querfeldein und beschrieb dabei einen großen Bogen um Pinzkrit herum.
«Übrigens, mein Name ist Mona», stellte sich die Frau nach einem weiteren Hustenanfall vor. «Und wie heißt ihr?»
Die Jugendlichen nannten ihre Namen, blieben dabei aber nicht stehen. Nach einer Viertelstunde stießen sie auf einen kleinen Trampelpfad, dem sie folgten, bis sie die Stadt vom Süden her erreichten. Hier gab es tatsächlich keine Straßensperre, und es waren auch nur vereinzelt Leute unterwegs.
«Wir sind gleich da», sagte Mona.
Pinzkrit war ein kleines Städtchen mit schmalen Straßen aus Pflastersteinen und – wie schiefe Zähne – ineinander verschachtelten Häusern mit tief in die Wand versetzten Fenstern und Schindeldächern. Irgendwann wurde die Häuserkette wie eine Zahnlücke unterbrochen, und in dem Zwischenraum, wo für mindestens sechs weitere krumme Häuser Platz gewesen wäre, stand ein einzelnes riesiges Haus mit etwas Garten und einem knorrigen Baum darin.
Joash und Ephrion kamen nicht mehr aus dem Staunen heraus, als sie das eiserne Tor durchschritten und die moderne Villa betraten. Luxuriöse Häuser wie dieses hier gab es nicht viele in Dark City, und wer aus armen Verhältnissen stammte, bekam die Villen der Reichen nur von außen zu sehen. Mona führte die Jugendlichen ins Wohnzimmer.
Aliyah nahm einen ganz zarten Duft nach Rosen wahr, als sie mit Nayati an ihrer Seite den Raum betrat. Ephrion und Joash betrachteten mit offenem Mund die vielen Veolichtlampen, die Glasskulpturen und prunkvollen Gemälde an den Wänden. Und Miro starrte mit ebenso offenem Mund auf das Mädchen, das soeben aus der Küche gekommen war.
Sie mochte um die siebzehn Jahre alt sein, war mittelgroß, schlank und hatte
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