Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)
Sie erinnerte sich an jedes Wort, das Isabella ihr zugeflüstert hatte. Es machte ihr Angst. Sie wünschte sich, dass niemals eintreffen würde, was Isabella ihr prophezeit hatte, niemals.
«Katara?»
Katara reagierte nicht. Ihr Blick war verschleiert, als würde sie ein verborgenes Bild betrachten.
«Katara? Was ist zwischen dir und Isabella vorgefallen?»
«Nichts», murmelte Katara leise, «nichts, Vater.»
Goran wusste, dass sie nicht die Wahrheit sagte, ließ es aber dabei bewenden. «Katara, ich habe dir immer gesagt, du solltest dich vor den Hexen in Acht nehmen. Sie sind hinterlistig und böse. Ihr einziges Ziel ist es, wieder an die Macht zu kommen. Und dafür sind sie bereit, alles zu tun, sogar junge Menschen wie dich zu verwirren und gegen das Königreich aufzuhetzen. Um ein Haar hätten sie es geschafft.»
Katara war noch immer in Gedanken versunken. «Sie sagte, wir wären seit tausend und abertausend Jahren auserwählt, um das Licht nach Dark City zurückzubringen.»
«Das Licht, das sie selbst uns geraubt haben», knurrte Goran bitter. «Warum hast du ihre Teufelei nicht durchschaut? Warum bist du darauf hereingefallen?»
Katara hob den Blick. Sie sah ihren Vater an. «Ich habe eine Welt geschmeckt, die als böse verschrien wird; eine Welt, vor der du mich gewarnt hast. Aber die Wahrheit ist, Vater, ich habe etwas in meinem Herzen gespürt, was ich noch nie zuvor empfunden hatte. Ich habe Dinge gesehen und gehört, die nicht in Worte zu fassen sind. Dieser Ephrion zum Beispiel: Er hat mit bloßen Händen Miros zerfetztes Bein geheilt, und später hat er die verkrüppelten Beine eines Jungen berührt, und der Junge konnte plötzlich wieder gehen. Verstehst du, Vater, da waren keine Zaubersprüche und keine leeren Worte. Ich habe Isabellas Schrei wirklich in meinem Innersten gefühlt. Ich habe das Buch der Prophetie mit meinen eigenen Augen gesehen. Ich habe das flammende Schwert in meinen Händen gehalten. Ich habe eine Kraft gespürt, die …»
Goran bemerkte ein Leuchten in ihren Augen. Nachdenklich runzelte er die Stirn.
«Du bist für einen Moment schwach geworden, Katara. Ich kann das verstehen. Aber du bist eine Kriegerin. Und du kannst auf dem Schlachtfeld nicht für zwei Herren kämpfen. Entweder du bist für die Hexen, oder du bist gegen sie. Es gibt keinen Mittelweg. Als meine Tochter geht deine Verantwortung weit über deine persönlichen Empfindungen hinaus. Du bist deinem König zu ewiger Treue verpflichtet. Du hast den ritterlichen Schwur selbst geleistet.»
«Ich weiß, Vater.» Sie senkte den Kopf und starrte dumpf vor sich auf den Tresen. «Ich weiß. Und ich habe meine Entscheidung getroffen. Ich weiß, auf welcher Seite ich kämpfen muss. Das Königreich soll sich nicht meinetwegen entzweien.»
Goran legte seine große kräftige Hand auf Kataras Schulter. «Deine Mutter wäre stolz auf dich.»
Kataras Nasenflügel bebten. Sie sah auf, und das Leuchten in ihren Augen war einer eisernen Entschlossenheit gewichen. «Ich werde dich nicht enttäuschen, Vater.»
«Nein, das wirst du nicht», sagte Goran und sah sie eindringlich an. «Denn würdest du zu unseren Feinden wechseln, würdest du nicht nur deinen Schwur brechen – sondern auch mein Herz.»
Katara wusste, dass er die Wahrheit sagte. Und sie wusste, dass sie zu ihrem Wort stehen musste. Das war sie ihrem Vater schuldig.
25
Es war eine eisige Nacht. Die Temperatur lag um den Gefrierpunkt wie jede Nacht in Dark City. Joash zog sich die große Kapuze seines Mantels tief in die Stirn und schlich sich durch die engen Gassen. Sein Atem dampfte in der klirrenden Kälte. Obwohl es schon spät in der Nacht war, hatte die Stadt noch nicht zur Ruhe gefunden. Überall hörte man das Klappern der Hufe auf den Pflastersteinen. Die Soldaten der Sicherheitsgarde ritten selbstherrlich durch die Straßen, trampelten mit gezückten Schwertern in Häuser rein, zerrten Menschen auf die Straße, warfen Gegenstände aus den Fenstern, brüllten herum und verbreiteten eine Atmosphäre der Angst und des Schreckens.
Joash huschte im Schatten der Häuser voran und hielt verzweifelt Ausschau nach einem Ort, wo er die Goldmünze wechseln könnte. Schließlich entschied er sich, da um diese Uhrzeit ohnehin schon alle Geschäfte geschlossen waren, es in einem Schankhaus zu versuchen. Er wählte eine schummrige Bar am Ende der Straße und trat ein.
Der Raum war nur mit wenigen Kerzenstummeln ausgeleuchtet, die Luft war abgestanden und einige
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