Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)
durchzogen. Aber dann wurde der harte steinige Boden immer weicher und nasser. Der Dunst begann sich zu verdichten, und auf einmal standen sie mitten in einer dicken Nebelsuppe, und die gesamte Umgebung verschwand im Nichts. Sie sahen keine zwei Schritte weit. Alles um sie herum war grau. Miro schien das nicht sonderlich zu stören.
«Mir nach», sagte er einfach, «bleibt dicht zusammen, damit wir uns nicht verlieren.»
Sie liefen im Gänsemarsch hintereinander her, Miro an der Spitze, gefolgt von Ephrion, dann kam Joash und zuletzt Aliyah. Aliyah schnalzte in regelmäßigen Abständen leise mit der Zunge. Sie hatte diese Methode entwickelt, um sich ohne Blindenstock, Blindenwolf oder sonstige Hilfsmittel zurechtzufinden. Es war dieselbe Echolottechnik, die Fledermäuse gebrauchen, um sich in kompletter Dunkelheit zu orientieren. Durch das zurückgeworfene Echo ihres Schnalzens entstanden in ihrem inneren Auge schwache Lichtblitze, die Aliyah in Bilder umwandelte, so dass sie ihre Umgebung wahrnehmen konnte.
«Bist du sicher, dass wir in die richtige Richtung gehen?», fragte Ephrion nach einer Weile, während er von einem kräftigen Hustenanfall geschüttelt wurde.
Miro blieb stehen und drehte sich genervt um. «Wenn ich sage, ich finde den Weg, dann …» Er stockte. «Wo ist Joash?»
Ephrion sah hinter sich. Joash war verschwunden.
«Bei Shaíria», murmelte Ephrion, «ich dachte, er wäre gleich hinter mir.»
«Joash ist weg?», stellte Aliyah besorgt fest. «Wo ist er hin?»
«Keine Ahnung», sagte Miro. «So komisch, wie der drauf ist, ist er wohl einfach irgendwo stehen geblieben, um ein Blümchen zu pflücken. Joash?!»
Sie lauschten, doch es war alles still.
«Joash?», rief nun auch Ephrion vorsichtig in den Nebel hinein und hustete erneut. «Mann, das ist nicht witzig! Wo bist du?»
«Was glaubt ihr, wie lange er schon weg ist?», fragte Aliyah.
«Wenn wir Glück haben, steht er keine fünf Fuß neben uns», meinte Miro. «Wenn wir Pech haben, ist er einfach gedankenlos irgendwo hingelatscht. Dieser elende Nebel! Joash?!»
Ganz in der Nähe hörten sie ein lautes Knacken.
«Da drüben!», rief Aliyah.
Ohne lange zu überlegen, eilte sie in die Richtung, aus der das Knacken gekommen war. Miro und Ephrion folgten ihr. Aber sie fanden nichts.
«Er kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben», überlegte Aliyah. «Das Knacken kam eindeutig von hier.»
«Seht mal!» Miro bückte sich und hob einen zerbrochenen Ast hoch.
«Was ist?», fragte Aliyah.
«Jemand ist offenbar auf einen Ast getreten», erklärte ihr Ephrion rasch.
«Und dieser Jemand will uns zum Narren halten», knurrte Miro und warf den Ast weg. «Joash? Das ist wirklich ein schlechter Scherz. Komm endlich hervor!»
«Hallo?! Huhu?», hörten sie eine etwas verwirrte Stimme aus genau der Richtung, aus der sie soeben gekommen waren. Joash trat aus dem Nebel heraus und guckte ziemlich verdutzt drein. «Warum seht ihr mich so an?»
«Wo warst du?», fragte ihn Ephrion.
«Da drüben. Ich hab …»
«Wir haben nach dir gerufen», unterbrach ihn Aliyah, halb verärgert, halb glücklich darüber, dass sie sich wiedergefunden hatten. «Warum hast du nicht geantwortet?»
«Ich hab das hier gefunden», sagte Joash und öffnete seine Hand. Ein großer fetter Käfer mit grünen Streifen und einem dicken Horn auf der Stirn krabbelte darauf herum. «Willst du ihn mal halten, Ephi?»
«Nein, danke», winkte Ephrion ab, und seine Stimme klang merkwürdig kratzig.
«Du?» Er streckte Miro das plumpe Insekt hin, doch der schob Joashs Hand von sich weg und runzelte die Stirn.
«Wenn Joash die ganze Zeit da drüben war», überlegte er laut, «wer hat dann diesen Ast zertreten?»
Eine betretene Stille trat ein.
«Du glaubst doch nicht …» Aliyah sprach den Gedanken nicht zu Ende. Miro und Ephrion warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Nur Joash kapierte überhaupt nicht, was eigentlich vor sich ging, und streichelte zufrieden seinen Käfer.
«Ist er nicht süß, ey?»
«Schhh!», zischte Miro.
«Ich dachte, ich nenne ihn Hörnchen.»
«Schhh!!», machten Miro, Ephrion und Aliyah gleichzeitig.
Sie lauschten angestrengt in die Stille hinein. Aber es war nichts zu hören.
«Vielleicht war es nur ein Tier», meinte Ephrion hustend. «Könnte doch sein, oder?»
«Ja, vielleicht», sagte Miro, obwohl ihn die Antwort nicht ganz befriedigte. «Gehen wir weiter. Und du, Joash, verschwinde gefälligst nicht mehr! Wir haben keine Zeit,
Weitere Kostenlose Bücher