Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)
dünn und so schütter, dass überall die Kopfhaut durchschimmerte. Die Jungs wussten nicht, was sie sagen sollten. Und obwohl Aliyah nicht sehen konnte, welches Geheimnis Mona ihnen soeben enthüllt hatte, spürte sie die Beklemmung, die in der Luft lag. Einen kurzen Moment trat eine peinliche Stille ein, die erst gebrochen wurde, als Mona wieder einen ihrer Hustenanfälle kriegte. Sihana trat zu ihr hin und hielt sie an der Schulter fest, während Mona gekrümmt dastand und sich die Hand vor den Mund hielt. Sie sah erbärmlich aus mit ihrem spröden dünnen Haar: wie eine gebrochene alte Frau.
Ephrion empfand tiefes Mitleid mit ihr. «Was für eine Krankheit ist das?»
Sihana zuckte die Achseln. «Wir wissen es nicht. Sie hat sich schon von vielen Ärzten behandeln lassen und dabei unser halbes Vermögen ausgegeben. Aber niemand hat ihr helfen können. Und in den letzten Jahren ist es eher schlimmer geworden.»
Ihre Mutter richtete sich wieder auf. Ihre Augen hatten von dem starken Husten zu tränen begonnen und waren ganz rot geworden. Ephrion sah sie liebevoll an. «Ihr habt auch häufig sehr starke Kopfschmerzen, nicht wahr?»
«Ja», bestätigte Mona mit röchelndem Atem. «Woher wisst Ihr das?»
«Ich kann es sehen», antwortete Ephrion.
«Du kannst meine Kopfschmerzen sehen?»
«Ja, ich sehe sie», sagte der dicke Junge, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Und dann, ohne sie zu fragen, streckte er seine wurstigen Finger aus und berührte sanft ihre Schläfen. Mona ließ es geschehen. Sihana stand neben ihr und stützte sie. Ephrion schloss die Augen und begann sich zu konzentrieren. Er presste die Finger gegen ihre Stirn, und seine Hände wurden auf einmal ganz warm. Er spürte, wie Kraft von ihm ausging und in Monas kranken Körper hineinströmte.
Auch Sihana merkte, dass etwas mit ihrer Mutter geschah, obwohl sie nicht genau wusste, was. Doch sie konnte deutlich hören, wie ihre Atemzüge ruhiger wurden. Auch das röchelnde Geräusch wurde immer schwächer, und Sihana konnte förmlich dabei zusehen, wie sich das Gesicht ihrer Mutter entspannte.
Ephrions Hände waren jetzt ganz heiß geworden. Schweißperlen traten auf seine Stirn. Er ließ ihre Schläfen los, taumelte etwas benommen zu einem Stuhl, und Mona sank in die Knie.
«Mama?», rief Sihana und warf sich schützend über sie. «Mama?»
Mona kniete auf dem Boden, den Kopf gesenkt, und wiegte ihren Oberkörper leicht vor und zurück, während sie von einem heftigen Weinkrampf geschüttelt wurde.
«Was passiert mit mir?», stammelte sie unter Tränen und hielt ihren Kopf zwischen den Händen. «Das kann nicht sein … ich fühle es … ich … es ist weg … es ist weg!»
Sie weinte und weinte, und je länger sie weinte, desto mehr verwandelte sich ihr Weinen in Lachen. Ja, sie weinte und lachte gleichzeitig, und Sihana hielt sie fest umklammert, und auch ihr rollten die Tränen übers Gesicht, als sie dabei zusah, wie das graue Haar ihrer Mutter immer schwärzer und kräftiger wurde und sich die leeren Stellen mit neuem, glänzendem Haar füllten.
«Bei Shaíria!», lispelte sie.
«Ich … bin gesund», hauchte Mona, während sie ihr volles Haar berührte. Sie sah zu Sihana auf und strahlte übers ganze Gesicht. «Sihana!»
«Mama!»
Tränenüberströmt vor Glück, überwältigt vom Unfassbaren, fielen sich die beiden in die Arme, und selbst Aliyah wischte sich heimlich ein paar Tränen der Rührung aus dem Gesicht. Ephrion saß erschöpft auf einem Stuhl, und sein Herz raste, als hätte er einen Marathonlauf hinter sich. Mutter und Tochter erhoben sich vom Boden, und erst jetzt sahen auch die Jungs die gewaltige Veränderung, die sich an Mona vollzogen hatte: Sie war um mindestens zwanzig Jahre jünger geworden. Die dunklen Ringe unter ihren Augen waren verschwunden. Ihr Gesicht war nicht mehr blass, ihre Haut sah jung und gesund aus, und ihr schwarzes, welliges Haar fiel ihr wie ein seidener Schleier bis auf die Schulter. Sie war eine wunderschöne Frau. Und ihre schwarzen Augen waren von tiefer Dankbarkeit erfüllt.
Sie ging zu Ephrion, ergriff seine Hand und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. «Danke», flüsterte sie.
Ephrion lächelte matt, war aber zu schwach, um etwas zu antworten. Mona wandte sich den andern Jugendlichen zu. «Euch allen», sagte sie mit belegter Stimme. «Danke. Ihr könnt nicht ermessen, was ihr für mich und meine Tochter getan habt. Euer Besuch hat Hoffnung in unsere kleine
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