Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
bis sie endlich das Haupttor erreichten. Zwei Soldaten mit Speeren und langen Umhängen tauchten aus dem Nebel auf. Sie standen breitbeinig nur wenige Armspannen vor dem gähnenden Abgrund, der sich zwischen dem Ende der Straße und dem monumentalen Eingangstor befand. An schweren Eisenketten befestigt hing eine Zugbrücke schräg in der Luft wie eine halbaufgeklappte Theke. Ohne die Erlaubnis der Soldaten kam hier keiner durch, so viel stand fest.
Die uniformierten Männer mit ihren Kettenhemden, roten Waffenröcken und Kampfstiefeln griffen nach den Fackeln, die in Halterungen in der Felswand steckten. Während der eine murmelnd ein paar Worte mit dem vordersten Eolithen wechselte, spazierte der andere durch die Reihen, eine Hand auf dem Rücken, und musterte die vermummten Gestalten skeptisch. Katara, Miro, Ephrion und Aliyah standen wie auf Nadeln, als der Soldat sich ihnen näherte. Seine Kleidung und sein Schuhwerk knarzten bei jedem Schritt.
Wenn er bloß keinen Verdacht schöpft, dachte Ephrion mit weichen Knien. Der Soldat war riesig, und im Schein der Fackel wirkte sein vernarbtes Gesicht unheimlich. Ephrion konnte seinen üblen Atem riechen, als er in seine Nähe kam und ihn von Kopf bis Fuß beäugte.
Geh einfach weiter, Soldat, dachte Ephrion, bleib bloß nicht stehen. Nervös und angestrengt starrte er vor sich auf den Boden, die Hände in den weiten Ärmeln der Kutte vergraben, und gab sich Mühe, nicht zu steif dazustehen. Er durchschaut uns, dachte er dabei die ganze Zeit, er weiß, dass wir nicht dazugehören. Gleich werden sie uns verhaften. Es ist aus.
Aber sie wurden nicht verhaftet. Die Soldaten beendeten ihre Inspektion und gaben den Durchgang frei. Sie winkten ihren Kollegen auf dem Burgtor mit den Fackeln zu, worauf diese die Zugbrücke rasselnd herunterließen. Gleichzeitig wurde das schwere Tor geöffnet. Summend und singend wallten die Eolithen über die knarrende Brücke auf das Burggelände. Als der letzte durch war, schloss sich das Tor hinter ihnen krachend.
«Wir sind drin», raunte Miro Katara zu, die neben ihm herging. «Mein Plan hat funktioniert!»
«Fragt sich bloß, ob wir jemals wieder hier rauskommen», murmelte Katara zurück.
Sie pilgerten zusammen mit den Eolithen bis zur Kapelle, dann gab ihnen Katara ein Zeichen, sie lösten sich von der Gruppe und huschten flink hinter eine Mauer.
«Und was machen wir jetzt?», flüsterte Ephrion.
«Der Eingang zu den Verliesen ist da drüben», erklärte Katara und deutete mit dem Kopf in eine bestimmte Richtung. «Aber er wird Tag und Nacht streng bewacht. Da kommen wir nicht durch.»
«Gibt es einen zweiten Eingang?», fragte Miro.
Das Mädchen schüttelte den Kopf. «Nein, aber ich glaube, es gibt einen Geheimgang.»
«Du glaubst es?», erkundigte sich Aliyah. «Bist du dir nicht sicher?»
«Hundertprozentig nicht, nein», gestand Katara. «Ich hab ihn selber nie betreten. Aber es muss ihn geben. Drakar hat sich einmal mit meinem Vater darüber unterhalten, und ich hab zufällig ein paar Brocken des Gesprächs aufgeschnappt. Der Geheimgang beginnt in der Bibliothek, soviel ich weiß.»
«Und wie kommen wir in diese Bibliothek?», wollte Miro wissen.
«Folgt mir», erklärte Katara knapp. «Und lasst euch nicht von den Wachen erwischen.»
Sie schlichen sich der Mauer entlang, eilten mehrere Treppen hinauf und hinunter, kamen an einem Pferdestall vorbei, überquerten einen weiten Burghof und glitten schließlich durch eine unscheinbare Tür in die Burg hinein. Weiter ging es über verwinkelte Gänge und Treppen, bis sie endlich die Tür zur Bibliothek erreichten. Es war eine wunderschöne zweiflügelige Tür mit Ornamenten und goldenen Klinken.
«Und wenn es doch keinen Geheimgang gibt?», zweifelte Ephrion.
«Es gibt ihn», versicherte ihm Katara und öffnete leise die Tür. «Wir müssen ihn bloß finden. Los, rein.»
Sie schob die anderen vor sich in den Raum und schloss die Tür hinter sich. Es roch nach altem Leder und Staub. Katara betätigte den Lichtschalter, und weißes Veolicht erhellte die ansonsten antike Bibliothek. Es war ein gigantischer Raum von mindestens zehn Ellen Höhe. Er war bis unter die Decke angefüllt mit antiken Büchern, und es gab mehrere bewegliche Leitern, die an Querstangen an der ganzen Wand herumgeschoben werden konnten, um an die entsprechenden Regale heranzukommen.
«Die Bibliothek wird kaum benutzt», sagte Katara. «Hier wird uns niemand entdecken. Hoffe ich
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