Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
ist etwas anderes, Ephrion.»
«Versuch es doch einfach», ermutigte der Junge sie und ergriff kurzerhand ihre Hände. «Konzentrier dich.»
«Worauf?»
«Keine Ahnung. Auf Drakars Burg zum Beispiel. Vielleicht siehst du etwas, das uns helfen könnte.»
«Ach, Ephrion, ich weiß nicht.»
«Komm schon», spornte Ephrion sie an, selbst begeistert von der Idee. «Wer nichts wagt, gewinnt auch nichts.»
«Also gut», willigte Aliyah schließlich ein und rutschte etwas näher zu Ephrion. «Drakars Burg also.» Sie atmete tief ein und versuchte sich innerlich auf die Burg zu konzentrieren. Ephrion fragte sie fast alle zehn Sekunden, ob sie schon eine Vision hätte, und jedes Mal verneinte das Mädchen.
«Du machst mich ganz nervös mit deinem Drängeln. Ich sagte dir doch, das geht nicht einfach so.»
«Versuch es nochmals», ermunterte Ephrion sie und rutschte ganz aufgeregt hin und her. «Ich werde diesmal auch ganz leise sein. Großes Ehrenwort.»
Aber Aliyah schüttelte den Kopf. «Es klappt nicht, Ephrion.» Sie ließ seine Hände los und seufzte beinahe ein wenig enttäuscht. «Hoffentlich kommen Katara und Miro rechtzeitig zurück. Die Eolithen können jeden Moment …» Sie brach mitten im Satz ab. Stocksteif saß sie da, mit weit aufgerissenen Augen, und schien geradewegs durch Ephrion hindurchzublicken.
«Was hast du?»
«Ich sehe etwas», flüsterte sie.
«Du siehst etwas?»
Aliyah tastete nach Ephrions Händen und begann sie so stark zu drücken, dass er leise aufschrie.
«Aua! Meine Schnitte!»
Aliyah achtete nicht darauf. Sie richtete ihre blinden Augen auf Ephrion und wirkte auf einmal sehr beunruhigt.
«Aliyah? Willst du mich jetzt verulken, oder was?»
«Ephrion, ich sehe etwas», wiederholte das Mädchen wie in Trance und ohne ihren steifen Blick von Ephrion abzuwenden. Ephrion merkte, dass es ihr ernst war. Ihr grünes und ihr blaues Auge zuckten merkwürdig, als sie ein paar zusammenhanglose Worte vor sich hinmurmelte. «Feuer … das Schwert … bitte nicht … bitte tu es nicht! Nein!»
Nayati winselte und ließ seine Herrin nicht mehr aus den Augen. Mit wachsender Unruhe beobachtete auch Ephrion ihre Wandlung. «Was redest du da, Aliyah? Was siehst du?»
Aliyah atmete heftig, wiederholte die Worte, ihr Körper schwankte etwas, und es dauerte ein paar Sekunden, bis sie wieder zu sich kam. Sie sah Ephrion so intensiv an, dass es ihm schwerfiel zu glauben, einem blinden Mädchen gegenüberzusitzen. Dann sagte sie zu ihm:
«Ephrion, etwas stimmt hier nicht. Ich fühle einen Schatten über uns.»
Ephrion runzelte die Stirn. «Was für einen Schatten, Aliyah?»
Sie schüttelte den Kopf. «Einen dunklen Schatten, etwas Bösartiges. Ich … ich kann es nicht erklären.»
Nayati legte sich dicht neben Aliyah hin, und das Mädchen ließ Ephrions Hände los und krallte sich im weichen Fell des Wolfes fest.
«Ich sah Flammen … Flammen und ein Gesicht … ich sah …»
Sie stockte.
«Was?», fragte Ephrion. « Was hast du gesehen?»
Sie runzelte die Stirn, fixierte Ephrion eindringlich und sagte schließlich: «Ephrion, hör mir jetzt genau zu. Du musst etwas tun.» Sie beugte sich zu dem Jungen hinüber und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Ephrion war verwirrt. «Aber die Prophetin hat doch gesagt …»
«Ich weiß, dass es riskant ist. Aber wir haben keine andere Wahl.»
Ephrion schluckte. «Also gut. Ich werde es tun. Aber auf deine Verantwortung.»
49
Eine dumpfe Glocke erklang, das Zeichen der Eolithen zum Aufbruch. Aliyah und Ephrion wurden nervös.
«Wo stecken sie bloß?», fragte Aliyah besorgt.
«Hoffentlich waren sie erfolgreich», meinte Ephrion, während er sich vom Boden erhob und suchend in den Nebel spähte. Es knackte, und dann, genau mit dem letzten Glockenschlag, tauchten die beiden Jugendlichen plötzlich aus dem Nebel auf, völlig außer Puste, aber mit braunen Kutten über den Schultern.
«Schnell», ordnete Katara an und warf Ephrion ein Gewand zu. «Schlüpf rein. Die Eolithen sind bereits am Aufbrechen.»
«Ihr seid spitze», sagte Ephrion. «Ich wollte schon immer mal so was tragen. Wo habt ihr die Dinger her?»
«Aus ’ner Truhe im Refektorium», erklärte Miro knapp und gab Aliyah eine Kutte.
Kataras Blick blieb an Nayati hängen. «Nayati muss hierbleiben. Die Wachen werden definitiv keinen Wolf in die Burg einlassen.»
Nayati legte den Kopf schief und winselte enttäuscht. Aliyah grub ihre Hand in sein Fell.
«Wann versteht ihr endlich, dass
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