Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
Doch jetzt, jetzt könnt Ihr wahrhaftig sehen. Euer Wolf, Nayati, ist ein prachtvolles Tier. Aber Ihr habt Euch von ihm abhängig gemacht. Er ist es, der Euch das Gefühl von Sicherheit gibt. Ihr stellt ihn über alles und seid daher in Gefahr, unüberlegte Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen, die dem Team schaden könnten. Das Team wird auf dieser Basis nicht in der Lage sein, Euch zu vertrauen. Ihr habt die Tendenz, Euren Wolf über die Bedürfnisse des Teams zu stellen. Dies könnte dazu führen, dass die Mission scheitert, es könnte gar Leben kosten.
Auf Eurem Nachttischchen befindet sich ein Buch. Ihr müsst die ersten zwei Sätze aus dem Buch lesen und interpretieren. In exakt sechs Minuten wird ein Onovan hereinkommen. Ihm werdet Ihr die Sätze aus dem Buch vorlesen und ihre Bedeutung erklären. Wenn Ihr versagt und die Worte dieses Buches nicht lesen und auslegen könnt, werdet Ihr Nayati nie wiederbekommen. Wenn Ihr den Test besteht und die Worte versteht, die in diesem Buch geschrieben stehen, so wird Euer Wolf zu Euch zurückkehren. Versucht nicht zu fliehen, die Tür ist verschlossen. Ihr habt genau sechs Minuten Zeit, Eure Aufgabe zu lösen.
Euer Test beginnt … jetzt!»
Aliyah setzte sich auf und griff nach dem Buch, das auf dem Nachttischchen lag. Als sie das Gewicht des Buches spürte, war ihr augenblicklich klar, um welches Buch es sich handeln musste: Es war das Buch der Prophetie. Wie war es aus Ephrions Tasche in ihr Zimmer gekommen? Und wie sollte sie ein Buch lesen, wo sie doch blind war? In weiter Ferne hörte sie ein lautes, klagendes Heulen.
«Nayati!», flüsterte sie, und es brach ihr beinahe das Herz. Es war, als würde auch er spüren, was sie insgeheim befürchtete: Sie würden sich nie wieder begegnen.
Ephrion war unter sein Bett gekrochen, als er den seltsamen Schrei hörte, Miros Hilferufe und Nayatis verzweifeltes Heulen. Er war kreideweiß vor Schrecken und schlotterte am ganzen Körper. Nur wenige Augenblicke nachdem der Wolf aufgehört hatte zu heulen, vernahm Ephrion ein Ächzen. Die Zimmertür öffnete sich langsam, und Ephrion glaubte, sein letztes Stündchen hätte geschlagen.
«Geht weg!», schrie er mit bebender Stimme. «Lasst mich alleine!» Er verbarg sein Gesicht zwischen den Händen, während die knarrenden Schritte näher und immer näher kamen. Vor lauter Angst machte sich Ephrion fast in die Hosen. Er hörte, wie die Person sich bückte, und wusste, dass sie genau in diesem Moment unters Bett schaute. Mit pochendem Herzen spreizte Ephrion seine Finger, um zu sehen, wer es war. Es war ein Onovan, und er lächelte freundlich.
Er hielt ihm sogar ein Stück warmes Brot hin. Ephrion überlegte ein paar Sekunden, bevor er das Brot nahm und sich in den Mund steckte. Es schmeckte herrlich. Der Onovan gab ihm mit einem Kopfnicken zu verstehen, er solle unterm Bett vorkommen, und streckte ihm seine Hand entgegen. Ephrion ergriff sie, und der blonde Hüne half ihm beim Aufstehen.
«Was geht hier eigentlich vor?», fragte Ephrion mit vollem Mund. Der Onovan lächelte noch immer und sah Ephrion an.
«Kommt», sagte er, drehte sich um und ging zur Tür. Ephrion folgte ihm.
Sie liefen unter der Laube hindurch und erreichten den gepflegten Innenhof. Auf einem runden Platz aus sandfarbenen Steinplatten, zwischen einigen Statuen, zartgrünen Farnen und farbenprächtigen Blumen, befand sich ein großer, reich gedeckter Tisch. Er war überfüllt mit Früchten, frisch gebackenem Brot, Honig, Eiern, Speck, Kaffee und allerlei Säften.
«Wow», staunte Ephrion, überwältigt von diesem großartigen Frühstücksbuffet. So etwas hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Er konnte sich nicht sattsehen daran.
Master Kwando saß bereits mit einer Tasse Kaffee in der Hand am Tisch, nickte Ephrion höflich zu und deutete auf einen Stuhl, der mit Ephrions Namen versehen war.
«Habt Ihr gut geschlafen? Setzt Euch, Ephrion. Ihr seid bestimmt hungrig.»
Wie im Traum wandelte Ephrion zu seinem Stuhl und nahm Platz. Obwohl alles so verlockend aussah, traute sich Ephrion erst zuzugreifen, als es ihm Master Kwando erlaubte.
«Bedient Euch. Was möchtet Ihr trinken?»
«Äähhh … ich nehme …» Ephrion war noch immer ganz durcheinander von dem Überfluss an Speisen und Getränken und wusste gar nicht, wo er anfangen sollte. «Ich glaube, ich nehme erst mal … äähh.»
Der Master gab dem Onovan, der Ephrion hergebracht hatte, ein Zeichen. «Schenkt unserem Gast ein
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