Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
Feder, eine uralte Schreibmaschine, daneben eine Art Monitor mit modernem Design und ein Gerät mit diversen Knöpfen an der Vorderseite. Es herrschte ein heilloses Durcheinander zwischen alter und neuer Technologie, und Miro entdeckte Maschinen, die er noch nie zuvor gesehen hatte und von denen er nicht genau wusste, wozu sie eigentlich dienten.
Plötzlich fiel sein Blick auf ein Kärtchen, das auf dem Nachttischchen neben seinem Bett stand und offensichtlich darauf wartete, von ihm gelesen zu werden. Miro erhob sich, setzte sich ans Kopfende des Bettes und las die simple Nachricht, die auf dem Kärtchen geschrieben stand: «Spiel mich ab.»
Neugierig hob Miro das Kärtchen hoch. Darunter lag ein kleines silbernes Diktiergerät. Miro nahm es in die Hand und starrte es eine Weile unsicher an. Was passiert, wenn ich es abspiele?, dachte er. Und was passiert, wenn ich es nicht abspiele? Sein Blick wanderte zur verschlossenen Tür und wieder zurück zu dem Diktiergerät in seiner Hand. Kurz entschlossen drückte Miro den kleinen gelben Knopf an der Seite des Geräts. Ein grünes Lämpchen leuchtete auf, und das Band begann zu laufen.
«Miro, Ihr habt Euer Leben immer auf Eure Intelligenz abgestützt. Ihr seid klug, und Ihr möchtet, dass die ganze Welt es weiß. In der Schule schreibt Ihr die besten Noten, und tief in Euch drin fühlt Ihr, dass Ihr für alles eine Antwort habt. Ihr seid ein wissenschaftlicher und mathematischer Problemlöser. Es gibt kein Thema, über das Ihr nicht Bescheid wisst – jedenfalls möchtet Ihr, dass die Leute das von Euch denken. Manchmal redet Ihr Euch heraus, findet geschickte Ausreden, lügt. Ihr tut alles, nur um Recht zu behalten. Das Team wird nicht in der Lage sein, Euch zu vertrauen. Wenn sie eine Antwort brauchen, werdet Ihr zwar immer eine Antwort parat haben, aber es wird nicht immer die richtige sein, selbst wenn Ihr es behauptet. Dies könnte dazu führen, dass die Mission scheitert, es könnte gar Leben kosten.
Unter Eurem Bett findet Ihr eine rote Schachtel, und in der Schachtel findet Ihr eine Frage. In genau sechs Minuten wird ein Onovan die Tür zu Eurem Raum öffnen. Bis dahin müsst Ihr die Antwort auf die Frage wissen. Wenn Ihr dem Onovan die falsche Antwort gebt und versagt, wird das Team erfahren, dass Ihr ein Lügner seid, dem man nicht vertrauen kann. Und wegen Eures Stolzes könnte dies für Euch schlimmer sein als Mord. Um Euer Geheimnis zu wahren, braucht Ihr die korrekte Antwort, und es gibt nur eine einzige richtige Antwort auf die Frage in der Schachtel. Findet sie!
Euer Test beginnt … jetzt!»
Miro griff hastig unter die Matratze und fand die kleine rote Box. Sie hüpfte ihm beinahe aus der Hand, weil er so sehr zitterte. Er wusste: Diesen Test musste er bestehen. Um jeden Preis.
Aliyah wachte auf, als sie einen schrillen Schrei vernahm. Wenig später hörte sie, wie jemand gegen eine Tür hämmerte, und vernahm dumpfe Rufe. Es war eindeutig Miros Stimme, doch sie konnte nicht verstehen, was er sagte. Sie drehte sich um und tastete nach ihrem Wolf. Doch er war nicht da. Sie rief seinen Namen, doch er antwortete nicht und kam auch nicht zu ihr gelaufen, wie er es sonst immer tat. Er war eindeutig nicht im Zimmer, und das verwirrte sie. Was geht hier vor?, dachte sie. Ein eigenartiges Gefühl beschlich sie. Sie wusste, dass etwas nicht stimmte. Ruhig blieb sie liegen und wagte es nicht, sich von der Stelle zu rühren. Etwas ging hier nicht mit rechten Dingen zu. Sie fühlte es an ihrem ganzen Körper. Und es lähmte sie.
Plötzlich hörte sie, wie jemand die Tür öffnete. Ein Mann betrat das Zimmer. Sie erkannte es an seinen schweren Schritten. Er kam direkt auf sie zu und blieb unmittelbar neben ihrem Bett stehen. Er roch wie ein Onovan, doch sie war sich nicht sicher. Ihr Herz begann schneller zu schlagen. Sie zog sich die Decke bis weit über die Ohren und stellte sich schlafend. Sie hörte, wie der Fremde etwas auf den Tisch stellte, und kurz darauf ein leises Klicken und ein Rauschen wie von einem Tonband. Der Mann entfernte sich, und die Tür fiel ins Schloss. Vorsichtig kroch Aliyah unter der Decke hervor und drehte sich dem Tischchen zu, von dem das Geräusch kam. Dann hörte sie eine Stimme.
«Aliyah, Ihr seid oft bedrückt, weil Ihr blind seid und die Kinder in der Schule Euch verspotten und Ihr Euch ausgeschlossen fühlt. Aber was Ihr nicht versteht, ist dies: Wirklich blind seid Ihr gewesen, bevor Ihr Euer Augenlicht verloren habt.
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