Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
Bach, selbst wenn es noch so klar und rein aussieht. Ihr könntet krank davon werden. Das Wasser ist auch in den Bergen nicht mehr so rein, wie es einmal war. Ich habe noch vier alte Wasserschläuche im Keller gefunden. Ich gebe euch also abgekochtes Wasser mit, das euch für zwei Tage reichen sollte.»
Sie nahm vier prallgefüllte Wasserschläuche von einem Haken und übergab jedem von ihnen einen davon. Sie hatte offensichtlich an alles gedacht. Die Jugendlichen hängten sich die Schläuche schräg über die Schultern, und als Anovan wenig später Katara und Miro je eine Ledertasche mit dem nötigen Proviant überreichte, wurde es ihnen doch etwas mulmig zumute.
Auf einmal wurde ihnen bewusst, dass es jetzt tatsächlich ernst wurde. Es war kein Spiel, auf das sie sich einließen, es war nicht irgendeine Mutprobe, es ging um alles oder nichts. Bei allen Fragen, die ihnen durch den Kopf gingen, an einer Tatsache gab es nicht den geringsten Zweifel: Wenn sie sich dieser Aufgabe stellten, würde ihr junges Leben nie mehr dasselbe sein.
Das Mütterchen lief um den Tisch herum, blieb hinter jedem Einzelnen stehen und legte ihnen ihre mit vielen Ringen geschmückte rechte Hand auf die Schulter. Ihre Handfläche war so heiß wie glühendes Eisen. Die Alte murmelte einige unverständliche Worte vor sich hin, während sie gemächlich von einem zum andern watschelte und schließlich stehen blieb.
«Der König braucht das Schwert», sagte sie. «Und er braucht das Buch der Prophetie. Die Zeit drängt. Bald werdet ihr euch nicht mehr ungehindert bewegen können. Drakar wird euch suchen lassen. Ihr müsst euch beeilen.» Sie schob das Buch zu Ephrion hin und gab ihm mit einem Kopfnicken zu verstehen, er solle es an sich nehmen.
«Ephrion, mein Ephrion. Ich weiß, dass Ihr Euch schwach fühlt. Doch Eure Hände sind stark. Ihr wisst es nur nicht.» Die Alte berührte seine Hände und sah ihn an. «Beschützt das Buch mit Eurem Leben. Es darf nicht verloren gehen, es darf nicht in falsche Hände kommen. Von diesem Buch hängt die Zukunft unseres Volkes ab.»
Zögerlich und mit einer gewissen Ehrfurcht griff Ephrion nach dem uralten Buch und drückte es an sich. Es war schwer und brannte wie Feuer auf seiner Brust. Ephrions Herz begann schneller zu schlagen. Es wurde ihm sogar etwas schwindlig.
«Und wo finden wir die andern Teile des Buches?», fragte er. «Und König Ar …, ich meine Olra?»
«Alles zu seiner Zeit, mein lieber Ephrion. Alles zu seiner Zeit. Erst muss eure Zahl vollständig sein.»
Ephrion wickelte das Buch in den groben Stoff, in dem es verwahrt worden war, und Anovan reichte ihm eine große Ledertasche, um es darin mit auf die Reise zu nehmen.
Die Alte wandte sich Aliyah zu und legte ihr die Hand auf die Schulter. «Meine Aliyah», sagte sie. «Euer Herz ist wie eine schillernde Perle, geformt in der Dunkelheit, verborgen für viele und doch erkennbar am unvergleichlichen Glanz Eurer Augen.» Sie griff in die Schatulle auf dem Tisch und klaubte zwei kleine, glänzende Münzen heraus. Sie legte die Geldstücke in Aliyahs Hand hinein. «Diese Münzen sind aus purem Gold. Verwendet sie nur im dringendsten Notfall.»
Aliyah nickte und legte schweigend die Faust um die Münzen.
Das Mütterchen wandte sich an Miro. «Miro, mein kluger Miro. Ihr seid wie ein roher Edelstein. Es gibt noch vieles, das an Euch geschliffen werden muss. Aber Edelsteine werden nicht von heute auf morgen geschaffen. Alles braucht seine Zeit. Ihr habt einen scharfen Verstand. Doch Intelligenz und Arroganz liegen nahe beieinander. Euer Scharfsinn wird erst zur echten Gabe, wenn Demut darin pulsiert. Vergesst das nicht.»
«Ich werde es mir merken», murmelte Miro, obwohl ihm nicht ganz klar war, wie sie das meinte – was er natürlich niemals zugegeben hätte.
Die Frau wandte sich Katara zu und legte ihr die Hand auf die Schulter. «Katara, meine mutige Katara. Ihr könnt kämpfen wie ein Tiger und kennt keine Furcht. Findet das flammende Schwert und bringt es sicher aus der Höhle. Und bedenkt: Was auch immer geschieht, vergesst nie, wer Ihr seid. Niemals.»
Katara runzelte die Stirn und schluckte trocken. Ihr Kopf drohte angesichts der tausend Fragen zu explodieren. Das Wissen um die Gefahr, in die sie sich begeben würde, war schier unerträglich.
Die pummelige Schwarze beugte sich zum Wolf hinunter. «Komm her, Nayati», sagte sie, und der Wolf kam winselnd zu ihr und ließ sich von ihr am Hals kraulen. «Geh ihnen voran.
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