Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
schien es ihnen, als wäre alles nur ein Traum gewesen, die Entführung, das Mütterchen, die schweigsamen Vierlinge, die Prophezeiung. Es war alles so verworren und unbegreiflich. Und doch standen sie hier, mitten im Regen, vier bunt zusammengewürfelte Jugendliche, die sich noch nie zuvor begegnet waren und dennoch auf eine gemeinsame Mission geschickt wurden; eine Mission, die gefährlicher war als alles, was sie in ihrem Leben jemals unternommen hatten. Es fröstelte sie bei diesem Gedanken.
33
Mehrere Meilen entfernt saß ein schlanker junger Mann in einem Polstersessel vor einem Kaminfeuer und starrte nachdenklich und brütend in die knisternden Flammen. Der Raum war gemütlich, obwohl er komplett fensterlos war. Ein langes Bücherregal zierte die eine Längswand neben dem Kamin. Unmittelbar über dem Kaminsims hing ein großes Ölgemälde mit vergoldetem Rahmen. Es war das Portrait eines alten Mannes mit langem Bart und langem seidigen Haar, das aussah wie gesponnenes Mondlicht. Sein Blick war gefüllt mit Stolz und der Gewissheit seines eigenen Ruhmes. In einer Ecke befand sich ein schwerer Schreibtisch mit Drehsessel. Eine steinerne Treppe, deren unterste Stufen knappe sechs Fuß in die Kammer hineinreichten, führte schräg nach oben.
Es klopfte.
«Ja?»
Ein Kopf erschien in der Tür. «Eure Hoheit, Ihr habt mich hergebeten.»
«Tretet ein, Goran.»
Der schwarze Ritter betrat den Raum und schloss die Tür hinter sich. Drakar der Zweite erhob sich von seinem Sessel und ging ihm entgegen.
«Eure Hoheit», sagte Goran und verneigte sich ehrerbietig.
«Nehmt Platz, mein Freund.» Er deutete mit der Hand auf den zweiten Sessel vor dem Kamin, und Goran setzte sich. Der Ritter trug noch dieselbe schwarze Kleidung wie bei der Hexenverbrennung, nun allerdings ohne Helm. Drakar war etwas legerer gekleidet. Er trug glänzende braune Lederhosen und ein weißes, halb offenes Baumwollhemd.
«Schnaps?»
«Einen Schnaps könnte ich allerdings vertragen.»
Drakar ging zu seinem Schreibtisch, öffnete einen kleinen Schrank und holte zwei Gläschen und eine Flasche heraus. Er füllte die Gläser zur Hälfte, stellte die Flasche wieder unter den Tisch und kam mit dem starken Trunk zum Kamin zurück. Er machte es sich in seinem Sessel bequem, und die beiden Männer kippten das Feuerwasser in einem Schluck hinunter. Sie stellten die Gläser auf einen kleinen Tisch zwischen den Sesseln, und Drakar wandte sich dem Ritter zu.
«Nun, habt Ihr sie gefunden?»
Goran seufzte tief. Er wirkte müde und besorgt. «Nein, Eure Hoheit. Sie ist nicht wieder aufgetaucht.»
«Dann haben ihre Freundinnen die Wahrheit gesagt?»
«Xenia und Yolanda? Ich fürchte, ja, das haben sie.»
«Katara wurde also entführt.»
«Alles deutet darauf hin, Eure Hoheit.» Sie schwiegen eine Weile.
«Gibt es irgendwelche Forderungen?»
«Nein, Eure Hoheit.»
«Irgendwelche Vermutungen, wer dahintersteckt?»
Kataras Vater schüttelte den Kopf. «Ich kann es mir beim besten Willen nicht erklären. Wer auch immer den Job ausgeführt hat, war clever genug, sich in die Burg zu schleichen.»
«Bedenklich», meinte Drakar. «Ich bin immer davon ausgegangen, dass dies nicht möglich ist.»
«Eure Hoheit, es ist nicht möglich.»
«Und doch ist es geschehen.» Drakars Stimme klang scharf und vorwurfsvoll. «In meiner Burg, die Tag und Nacht von Hunderten von Soldaten bewacht wird, hat sich jemand unbemerkt durch mein Sicherheitssystem geschleust und die Tochter meines obersten schwarzen Ritters gekidnappt.» Er kniff die Augen leicht zusammen. «Was hatte Katara eigentlich nachts in den Verliesen zu suchen? Ich dachte, ich hätte mich diesbezüglich klar genug ausgedrückt.»
«Eure Hoheit, ich hatte nicht die geringste Ahnung davon», erklärte Goran. «Ich drohte ihr sogar, sie eigenhändig in den Turm zu sperren, wenn sie zur Hexe ginge. Aber sie hat es trotzdem getan.»
«Einen sturen Kopf hatte sie schon immer», meinte Drakar. Er rutschte auf dem Sessel etwas vor und faltete die Hände zusammen. «Goran, wie Ihr wisst, glaube ich nicht an Zufälle. Und ich muss gestehen, der Zeitpunkt von Kataras Verschwinden beunruhigt mich. Wäre dies alles vor ein paar Wochen oder Monaten geschehen, hätte ich angenommen, jemand wolle Euch erpressen, um an vertrauliche Informationen zu gelangen.»
«Das habe ich auch schon in Erwägung gezogen.»
«Doch anscheinend hat unser Entführer kein Interesse an einer Erpressung. Sonst hätte er sich bereits
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