Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
Mistviecher. Diese elenden Grolche, oder wie auch immer sie heißen. In ihrem Stachel muss Gift gewesen sein. Deswegen konnte sich Miro nicht mehr bewegen. Sie haben ihn betäubt, um ihn danach in Stücke zu reißen. Und es wäre ihnen beinahe gelungen. Bei Shaíria, es sieht nicht gut aus. Es sieht nicht gut aus. Ich weiß wirklich nicht, ob …» Sie sprach den Satz nicht zu Ende.
Aliyah fasste Miros linke Hand und merkte, dass sie völlig schlaff war.
«Miro!», flüsterte das Mädchen. «Komm zu dir, Miro! Du darfst nicht sterben! Hörst du?!» Die Tränen rollten nun doch über Aliyahs Gesicht, während sie seine kalte Hand nahm. «Bitte, Miro», flüsterte sie und drückte seine Hand, «wach auf, Miro. Wach auf!» Nayati legte behutsam seinen Kopf und die rechte Pfote auf Miros Bauch und winselte leise. Auch er spürte den Ernst der Lage.
Ephrion kauerte ein paar Schritte weit von den andern entfernt auf dem Boden und presste sich die Arme in den Unterleib. Er schmeckte Galle in seinem Mund. Noch nie hatte er eine derart böse Wunde gesehen. Und allein bei der Vorstellung der Schmerzen, die Miro erleiden musste, würgte es ihn erneut. Schließlich hatte er mit eigenen Augen gesehen, welch fürchterliches Gebiss diese Tiere besaßen. Es brauchte nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie schmerzhaft es sein musste, von den starken Kiefern einer solchen Bestie zerquetscht zu werden.
Ephrion nahm sich zusammen, schluckte den bitteren Geschmack auf der Zunge hinunter und ging zu den anderen zurück. Er kniete rechts neben Miro nieder, warf einen angeekelten Blick auf die grässliche Wunde und betrachtete dann Miros farbloses Gesicht. Seine Augen waren geschlossen, sein Mund leicht geöffnet. Er sah aus wie tot.
«Er wird leben», murmelte Ephrion plötzlich, von einer seltsamen Ruhe erfasst, die er sich selbst nicht erklären konnte.
Katara sah ihn kopfschüttelnd an. «Wir sollten uns nichts vormachen, Ephrion.»
«Vielleicht kann ich die Blutung stoppen», warf Ephrion ein.
«Wie denn?», fragte Katara. «Wir haben sein Bein abgebunden, aber es nützt nichts. Er hat schon zu viel Blut verloren. Wir können nichts mehr für ihn tun.»
«Vielleicht doch», meinte Ephrion zaghaft. Er legte seine Hände auf Miros Brust und atmete tief durch. «Miro», hauchte er kaum hörbar, «atme!» Er beugte sich vor, legte seinen Kopf zwischen seine Hände, um Miros Herzschlag zu hören, schloss die Augen und atmete erneut tief durch. Und da schnappte Miro plötzlich nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen und schlug die Augen auf. Nayati hob den Kopf und kläffte freudig.
«Miro!», rief Aliyah und lächelte ihn zwischen Tränen an.
Ephrion zog seine Hände zurück und war auf einmal ziemlich in Gedanken versunken. Aliyah spürte, wie die Wärme in Miros Hand zurückkehrte. Der verletzte Junge atmete keuchend und unregelmäßig. Panik und Verzweiflung spiegelten sich auf seinem leichenblassen Gesicht. «Sind sie weg?»
Katara nickte. «Ja, sie sind weg. Wir sind in Sicherheit.»
«Ich … ich spüre meinen Körper nicht.»
«Du bist von einem Skorpionstachel erwischt worden. Sein Gift hat dich gelähmt. Aliyah und ich haben dich aus der Höhle getragen.»
Miro sah die blutverschmierten Kleider der beiden Mädchen, und eine dunkle Ahnung stieg in ihm auf.
«Woher … woher stammt das Blut?»
«Es wird alles gut werden», wich Katara seiner Frage aus. Miros Blick wanderte an seinem tauben Körper hinunter, und als er die klaffende Wunde an seinem Oberschenkel sah, fiel ihm auf einmal alles wieder ein. Er erinnerte sich an die glühenden Augen und den brennenden Schmerz, als das Tier in der Dunkelheit zugeschnappt hatte. Entsetzt betrachtete er sein blutüberströmtes Bein, und es kam ihm vor, als wäre es nicht das seine.
«Ich fühle nichts», hauchte er, während er gegen die Bewusstlosigkeit ankämpfte. «Ich möchte … schlafen …»
«Nein», sagte Aliyah und tätschelte ihm die Wange, «du darfst nicht schlafen. Du musst wach bleiben, Miro. Wir lassen uns etwas einfallen.»
Miro war nahe daran wegzutreten. «Ich werde es nicht schaffen», röchelte er.
«Doch, das wirst du», antwortete Ephrion mit erstaunlich fester Stimme. «Du wirst durchkommen. Ich werde dafür sorgen, dass du wieder gesund wirst.»
Miro hatte unendlich große Mühe, die Augen offen zu halten. «Du kannst mir … nicht helfen, Ephrion», wisperte er, ohne seine Lippen zu bewegen.
Ephrion sah Miro mit seinen hellblauen Augen
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