Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
heilen. Aber wie es scheint, reicht meine Kraft sogar, um noch ganz anderes Ungeziefer zu heilen.» Er klopfte Miro kameradschaftlich auf die Schulter. «Ist nur ein Scherz. Ich bin froh, dass du am Leben bist, Miro.»
«Das bin ich auch», ergänzte Aliyah. Nayati kläffte und wedelte freudig mit dem Schwanz. Und Katara meinte:
«Ich will ja nicht drängen. Aber ich finde, wir sollten so schnell wie möglich von hier verschwinden. Du bist nur haarscharf am Tod vorbeigeschrammt, Miro. Wir wollen es nicht riskieren, diesen Monstern nochmals zu begegnen.»
«Allerdings nicht», murmelte Miro und war schlagartig zurück in der brutalen Realität. Er warf einen Blick hinüber zur Grolchenhöhle, und es fröstelte ihn beim bloßen Gedanken an das, was sich dort in der Dunkelheit verbarg. «Hätte ich gewusst, was da drinnen auf uns lauert, ich weiß nicht, ob ich die Höhle betreten hätte. Das Mütterchen wusste wohl, warum sie uns nichts von den Monstern erzählt hat.»
«Ein todsicheres Versteck für ein so gefährliches Schwert», meinte Katara. Sie griff nach dem flammenden Schwert und wog es in ihrer Hand.
«Das ist also das sagenhafte Schwert König Olras», bemerkte Ephrion ehrfürchtig. «Darf ich es mal halten?»
«Aber nur kurz», sagte Katara. «Dann müssen wir aufbrechen.» Sie legte das Schwert sorgfältig in Ephrions Hand, und der Junge betrachtete es eingehend.
«Das Schwert, das über all die Jahre in der Grolchenhöhle verschollen war. Und wir sind die Ersten, die es in Händen halten, seit der König es verbergen ließ.»
«Abgesehen von demjenigen, der sein Leben opferte, um es herzubringen», ergänzte Katara und erinnerte sich an das Skelett, das es in seinen Knochenhänden gehalten hatte.
«Ein solches Schwert habe ich noch nie gesehen», sagte Ephrion und bewunderte den verzierten Handgriff. «Und seht euch diesen wunderschönen roten Rubin an!»
«Ein roter Rubin?», wiederholte Katara. «Du siehst einen roten Rubin?»
«Ja, hier in der Mitte der Parierstange.»
«Der rote Rubin!», rief Katara verblüfft und nahm Ephrion das Schwert ungefragt wieder aus der Hand. «Es ist tatsächlich ein roter Rubin. In der Höhle habe ich seine Farbe nicht erkannt.»
«Ich dachte, du siehst im Dunkeln», wandte Miro ein.
«Aber nur schwarz-weiß, schon vergessen? Aliyah, davon hast du also in deiner Vision gesprochen.»
«Du hattest eine Vision?», fragte Ephrion.
«Ich dachte, du würdest nur wirres Zeug reden. Dabei hast du von diesem Edelstein gesprochen. Der rote Rubin kann uns retten, hast du gesagt. Erinnerst du dich jetzt?»
«Ehrlich gesagt, nein», gestand Aliyah.
«Egal. Jedenfalls hat er das getan. Er verwandelte das Schwert in eine Armbrust. Und damit konnte ich sechs Messer wie Pfeile abschießen.»
«Welche Messer?», fragte Miro.
«Ich verstehe kein Wort», murmelte Ephrion.
«Ich erkläre es euch später», sagte Katara, steckte das Schwert in die Scheide und erhob sich. «Jetzt müssen wir erst einmal von dieser Felsplatte herunterkommen. Wir haben einen langen Weg vor uns.»
«Und bald wird es dunkel», fügte Miro hinzu. Und damit hatte er Recht.
Katara warf einen letzten Blick von dem Felsvorsprung hinunter auf die Ebene. Zwischen den Felsen hindurch bot sich ihr eine gigantische Sicht auf die Stadt. Hoch ragten die schwarzen Gebäude aus dem Nebel. Es sah aus, als würden sie auf dem grauen Dunst schweben. Sie konnte in der Ferne sogar das Stadion erkennen, und etwas weiter hinten lag die Burg Drakars wie ein mächtiges Schiff auf einem Felsen.
Unwillkürlich musste sie an ihren Vater denken. Was würde ihm wohl in diesem Moment durch den Kopf gehen? Bestimmt würde er am Fenster seiner Dienstwohnung sitzen, in den Nebel hinausstarren und hoffen, dass seine Tochter noch am Leben war. Sie wünschte sich, sie hätte ihm durch die Dämmerung zurufen können, wie sehr sie ihn liebte. Sie vermisste ihren Vater, und doch wusste sie, dass sie ihren Gefühlen keinen Raum geben durfte, nicht jetzt, nicht wo sie im Begriff war, ihren Vater und alles, wofür er kämpfte, zu verraten. Ja, morgen schon würde sie zurück sein, aber nicht als Tochter Gorans – sondern als Verräterin. Es schnürte ihr die Kehle zu bei dem Gedanken, und sie wollte sich zwingen, nicht mehr daran zu denken. Doch es gelang ihr nicht.
Sie warf einen letzten Blick auf die Burg in der Ferne. Sie dachte an ihren Vater, und sie dachte an die Aufgabe, die ihnen bevorstand und die alles von ihr fordern
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