Dark Desires: Im Bann der Unsterblichkeit
Wagen nehmen oder die Strecke laufen? Hinter ihm rief Dashiell seinen Namen.
Devon reagierte nicht. Der Wagen stand zu weit weg. Zu Fuß war er fast genauso schnell. Inzwischen hatte sein Freund ihn einholt.
„Was zur Hölle …?“, hob Dashiell verständnislos an.
„Er war bei Jethro.“ Devon zwang sich zur Ruhe. Bei Jesse.
„Was? Woher weißt du das?“
„Ich habe Jesse an ihm gerochen.“ Unter der Verwesung und dem Schmutz. Diesen unverwechselbaren Duft, den nur ein einziger Mensch auf diesem Planeten besaß. „Er ist ihm gefolgt oder er kannte seine Adresse.“ Devon riss sich los. „Ich muss es wissen!“ Es mit eigenen Augen sehen.
„Warte!“ Dashiell hielt ihn am Arm zurück. „Wenn Richard bei ihm war, ist es sowieso zu spät. Bleib hier und mach die Sache nicht noch schlimmer, als sie ist!“
Wie kannst du es wagen! Devon stieß seinen Freund so heftig zurück, dass dieser fast gegen ein parkendes Auto stolperte. Dashiell sah ihn verblüfft an. Ohne ein weiteres Wort lief Devon los. Diesmal folgte sein Freund ihm nicht.
An der nächsten Straßenecke begann Devon zu rennen. Gebäude, Bäume und Fahrzeuge rasten an ihm vorüber und verschmolzen zu unscharfen Schattengebilden. Dashiell hatte wahrscheinlich recht. Es konnte längst zu spät sein. Es konnte Stunden her sein. Trotzdem rannte er weiter. Getrieben von überwältigender Angst und verzweifelter Hoffnung.
Endlich erreichte er die schmale Straße, die hinter Jesses Haus verlief. An der Einfahrt zum Innenhof blieb er stehen. Unter all den unterschiedlichen Gerüchen witterte er schwach Richard Geoffreys widerlichen Gestank. Hatte er Jesse sofort getötet oder ihn verschleppt? Falls Richard ihn verschleppt hatte, würde es schier unmöglich sein, Jesse zu finden.
Ich hätte Richard nicht töten dürfen!
Der Hass hatte Devon blind gemacht. Allein er würde die Schuld dafür tragen, sollte Jesse in irgendeinem unauffindbaren Versteck sterben!
Voller Anspannung betrat Devon den Innenhof. Seine Sinne waren jetzt hellwach und nahmen jeden Duft, jedes Schimmern, jedes winzige Geräusch wahr. Müll, Motorenöl. Dutzende Herzschläge hinter den Mauern, einige schnell, andere langsam. Stimmen, die sich gedämpft unterhielten. Nach wenigen Schritten roch er Menschenblut. Testosteron. Ein Mann. Doch nicht Jesse. Nicht Jesse! Ein anderer Mann.
Devons Erleichterung währte nur kurz. Was war hier geschehen? Sein Blick ruckte zur Treppe und entdeckte zwei Gegenstände, die auf der Plattform zwischen den Stockwerken lagen. Trotz der Dunkelheit erkannte er eine Plastikflasche und einen Leinensack. Achtlos liegengelassen oder vergessen worden? War es dort geschehen? Er ging langsam weiter. Nach der Hast, hierher zu kommen, fühlte er sich nun wie gelähmt. Kurz bevor Devon die Metalltreppe erreichte, stieg ihm plötzlich ein vertrauter Geruch in die Nase und all seine Hoffnungen zersprangen wie Glas. Jesses Blut. Devon erstarrte, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Kalte Verzweiflung packte ihn.
Auf der Suche nach Halt ergriff er das Treppengeländer und hätte es am liebsten aus der Verankerung gerissen. Das konnte nicht geschehen sein! Es durfte nicht geschehen sein!
Die Herzschläge hinter den Mauern schienen ihn jetzt zu verhöhnen. Ihr rhythmisches lebendiges Pochen hallte unerträglich laut in seinen Ohren wider. Bis auf einen Herzschlag. Der merkwürdig gedämpft und unregelmäßig klang. Kaum hörbar neben den anderen. Unwillkürlich konzentrierte sich Devon auf dieses schwache Pochen. Es kam von schräg über ihm. Sein Blick ruckte hoch. Hoffnung jagte wie ein Schock durch seinen Körper. Im nächsten Moment stand er oben im zweiten Stock und schaute durch ein Fenster in eine dunkle Küche. Auf dem Küchenboden lag ein Körper. Seine Aura flackerte schwach. Wie die Flamme einer heruntergebrannten Kerze, kurz vor dem Erlöschen. Jesse! Richard hatte ihn nicht getötet. Unfassbare Erleichterung durchströmte Devon. In einem ersten Impuls streckte er die Hand nach der Türklinke aus. Doch eine unsichtbare Barriere hinderte ihn am Zugreifen. Seine Finger prallten von ihr ab, gleichgültig, wie sehr er sich bemühte. Wut und Frustration brandeten in ihm auf. Er würde nicht in die Wohnung kommen, gleichgültig, was er versuchte! Selbst wenn er die Tür mit roher Gewalt öffnen könnte, würde es ihm nicht helfen. Wenige Zentimeter Holz, die ebenso gut eine meterdicke Stahlwand hätten sein können. Jesse konnte sterben, während er
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