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dark destiny

dark destiny

Titel: dark destiny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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Gerichtsprozess begleiten zu müssen, war nie eine angenehme Erfahrung. Doch heute zog sich Neel der Magen mit jedem Schritt weiter zusammen. Die Verräter waren nahe des Grenzzauns, den sie zu überklettern versucht hatten, in einen Schuppen gesperrt worden, wo Neel sie mit vier Männern seines Regiments abholen musste. Seine Aufgabe bestand darin, die Gefangenen zum Hotel zu bringen, wo sie von der Triade für ihren Gesetzesbruch verurteilt und vermutlich an Ort und Stelle bestraft werden würden. Ob man ihn für diese Arbeit ausgesucht hatte, damit er sah, wie Verräter gemaßregelt wurden? Er war sich noch immer nicht sicher, wie er Cloud einzuschätzen hatte. War es seinem ehemaligen Mentor zuzutrauen, dass er ihn damit unter Druck setzen wollte? Und wie weit würde Cloud gehen?
    Neel sah sich bereits mit dem Befehl konfrontiert, die Verräter mit Stockschlägen, Peitsche oder lebenslangen Verstümmelungen zu bestrafen. Es gab Menschen, denen man für geringere Vergehen Finger oder Zehen abgetrennt hatte. Besonders im Gedächtnis geblieben war ihm die Bestrafung einer jungen Frau: Ihr war ein Kreuz mitten auf die Stirn eingebrannt worden, weil sie sich geweigert hatte, das Zeichen für Respekt zu machen.
    Neel war übel und das lag nicht daran, dass er am Abend zuvor getrunken hatte.
    Die Verräter waren Kinder.
    Er führte sein Pferd, auch wenn es eigentlich seine Aufgabe war, vorauszureiten. Gleich hinter ihm ging der gefangen genommene
    Junge, links und rechts von Neels Männern eingerahmt, wenige Schritte dahinter seine Schwester, ebenso bewacht. Die Kleine rührte Neels Herz, sie war allenfalls vierzehn und hatte ein Gesicht wie aus weißem Holz geschnitzt. Der Junge war ein wenig älter und so mager, dass die Knochen an seinen Hüften und Schultern spitz hervorstanden. Sein blondes Haar war voller Kletten, seine Wangen aufgeschürft. Blasse Streifen in seinem schmutzigen Gesicht verrieten, dass er geweint hatte - dennoch trug er das Gesicht eines Kämpfers zur Schau und erwiderte die Blicke eines jeden Percents furchtlos.
    Das war zweifelsohne sehr mutig. Und gleichzeitig gar nicht gut. Wer voll wütendem Trotz vor die Triade trat, ging als gebrochener Mann.
    Neel lief langsamer, als es korrekt gewesen wäre, und zog den Weg in die Länge, um nachzudenken. Aber sosehr er sich auch bemühte, er fand keine Lösung für das Geschwisterpaar. Sie hatten versucht, der Stadt zu entfliehen, und mussten nun die Konsequenzen spüren. Er versuchte sich einzureden, dass sie selbst schuld waren - es gab immerhin Wege durch die Zäune, Joy und ihre Freunde hatten es mehrfach bewiesen -, aber es gelang ihm nicht. Der verdammte Bengel erinnerte ihn mit seiner verzweifelt ausgedrückten Rebellion zu sehr an Joy. Wie sie rebellierte er still, zeigte mit jeder Faser seines Körpers seinen Widerwillen, tat dabei aber nichts Dummes, nichts Aussichtsloses, sondern blieb aufmerksam und wachsam -als lauerte er auf den richtigen Moment.
    Das konnte Neel auch.
    Er wartete, bis sie das Hotel erreicht hatten und direkt vor dem Haupteingang standen. Abschätzend musterte er seine Männer von oben bis unten. »Eure Hosen triefen nur so von Schneematsch«, stellte er fest. »Es gibt noch ein paar antike Teppiche im Hotel. Besser, ihr wartet hier.«
    Der junge Gefangene sah provozierend an sich herab. Natürlich tropften auch seine Sachen und zu Wasser und Schlamm mischte sich das Blut seiner aufgeschlagenen Knie.
    »Ihr dagegen«, sagte Neel, ehe der Junge etwas Dummes von sich gab, »seid herzlich eingeladen; tretet ein.« Er hielt den beiden Menschen die Tür auf und verbeugte sich ansatzweise. Spöttisch in den Augen seiner Männer, die sich bereits bequem an die Häuserwand lehnten, um dort auf ihn zu warten. Aber das Mädchen hatte Neels unauffälliges Zwinkern gesehen. Sie nahm ihren Bruder an der Hand und zusammen traten sie an Neel vorbei ins Hotel.
    Es versetzte ihm einen Stich, dass seine unverbindliche, kleine Geste den jungen Menschen Mut machte. Sie vertrauten ihm, erwarteten nichts Schlimmes von ihm, vielleicht sogar Hilfe - nur weil er sein Augenlid eine menschliche Bewegung hatte machen lassen. Er hatte das weder verdient, noch gefiel es ihm. Er wollte sie nicht enttäuschen.
    Neel ging dicht hinter ihnen den Gang entlang, der zum Treppenhaus führte. »Ich hoffe, ihr seid gut in Form. Die Triade tagt im obersten Stockwerk, hoch über der Stadt.«
    Die beiden liefen einfach weiter, als sprächen sie seine Sprache nicht.

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