Dark Heart: Zweiter Band
versuchte, ein Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz zu finden. Die Enttäuschung darüber schnitt mir tief ins Herz, denn ich hatte auf mehr Mitgefühl gehofft.
Wird er sterben?
Nicht, wenn ich es verhindern kann.
Was hast du vor?
Ich will nur wissen, wieweit ich Lilith McCleery trauen kann.
Sie ist ein Nachtgeschöpf. Das sollte deine Frage beantworten.
Du bist auch ein Nachtgeschöpf und ich habe dir ganz vertraut, schon vergessen?, antwortete ich ungeduldig. Also, was heißt das jetzt?
Sie verschweigt dir etwas. Mehr kann ich nicht sagen.
Warum? Hat es mit den Ereignissen in Telegraph Creek zu tun?
Das weiß ich noch nicht. Bitte, ich darf dir nicht mehr verraten.
Mein Vater stirbt, und Lilith McCleery ist die Einzige, die mir helfen kann, ihn zu retten.
Lydia, bitt e …
Aber ich ließ ihn nicht ausreden. Wütend kappte ich die Verbindung.
Dabei musste ich wohl einen Schrei ausgestoßen haben, denn Hank fragte besorgt: »Alles in Ordnung, M s Garner?« Nach einem prüfenden Seitenblick konzentrierte er sich wieder ganz auf die Straße, die sich in engen Windungen den Saint Mark’s Summit hinaufschraubte. Ich machte eine abwehrende Handbewegung. »Alles okay, Hank.«
Von wegen, rein gar nichts war okay! Jack trieb mich zur Verzweiflung. Es verging kaum ein Augenblick, in dem ich nicht an ihn denken musste. Und in den wenigen Momenten, in denen wir uns nahe sein konnten, in denen wir in Gedanken fast eins waren, verschloss er sein Herz vor mir.
Der Wagen schaukelte gefährlich, als Hank in den kleinen Waldweg einbog, der hinauf zu Liliths Anwesen führte. Offenbar war ihr Hofstaat heimgekehrt. Das merkten wir, als wir vor dem verschlossenen Tor standen und die Wechselsprechanlage sich meldete. Bevor Hank etwas sagen konnte, quäkte eine Stimme schon: »Die Königin erwartet sie bereits, M s Garner.«
Das Tor glitt zur Seite und wir fuhren das letzte Stück bis zum Brunnen hinauf, wo Hank den Lieferwagen abstellte. Lilith McCleery musste die Gefährten ihrer Vampire schon am Morgen zurückbeordert haben, denn die Kampfspuren, die ich bei meinem ersten Besuch noch vorgefunden hatte, waren inzwischen beseitigt. Nur an den beschädigten Fassaden standen noch Baugerüste.
Wir hatten noch nicht einmal angeklopft, da wurde uns von einem Mann mittleren Alters geöffnet. Das schüttere Haar trug er kurz geschnitten. Da man ihm die Spuren des Alterns ansehen und ich keinerlei Blumenduft an ihm wahrnehmen konnte, kam ich zu dem Schluss, dass er kein Vampir war. Er verneigte sich knapp, als er uns sah.
»Wenn Sie mir bitte folgen wollen.«
Auf der Treppe im Vestibül roch es nach frischer Farbe und Reinigungsmittel. Der schwere Kronleuchter wurde gerade wieder an der Decke befestigt, die zerbrochene Vase war gegen eine neue ausgetauscht worden. Nur die Kratzer im Marmorboden hatte man noch nicht ausgebessert.
Lilith kam uns schon entgegen und lächelte. »Lydia, wie schön, dass du dich doch dazu entschlossen hast, deine Aufgabe ernst zu nehmen. Ich habe dich gestern Abend vermisst.«
»Meine nächste Amtshandlung wird wohl die Anschaffung eines Telefons sein«, sagte ich.
»Wir haben andere Wege, um miteinander zu kommunizieren«, sagte Lilith und sah mich vielsagend an. »Vielleicht sollte ich dich einmal in dieser Kunst unterweise n – falls du diese Fähigkeit nicht bereits in dir entdeckt hast.«
In diesem Moment hätte ich wetten können, dass die Vampirkönigin meine Gedanken las. Mit Mühe zwang ich mich zu einem Lächeln.
»Es wäre mir eine Freude, wenn wir tatsächlich möglichst bald Gelegenheit dazu hätten«, antwortete ich. »Aber gerade habe ich ein dringenderes Problem.«
Lilith wurde ernst. »Um was geht es?«, wollte sie wissen. Um uns herum war das Hämmern und Klopfen des Reparaturtrupps zu hören, und so führte sie Hank und mich zu einer Sitzecke etwas abseits vom Treppenaufgang. Sessel und Topfpalme verströmten den Charme eines angestaubten Luxushotels.
Wir nahmen Platz und ich atmete zweimal durch, um meine Stimme klar und voll klingen zu lassen. »Mein Vater hatte einen schweren Herzinfarkt. Wir befürchten, dass er diese Nacht nicht überleben wird.«
»Aber ihr Menschen habt doch hervorragende Ärzte? Und deine Mutter ist ja selbst Medizinerin.«
»Auch Ärzte stoßen an ihre Grenzen.« Ich kaute verlegen auf meiner Unterlippe, weil ich nicht wusste, wie ich ihr meine Bitte vortragen sollte.
»Du brauchst mein Blut«, sagte Lilith McCleery. »Du möchtest, dass
Weitere Kostenlose Bücher