Dark Inside (German Edition)
suchen. Musik ist etwas, was wir brauchen werden. Ich glaube, das wäre jetzt sehr schön.«
Als beide ins Feuer starrten, entstand eine Pause in ihrem Gespräch. Schließlich begann Clementine zu lachen. »Das ist doch so was von schräg.«
»Was? Unsere Unterhaltung?«
»Ja. Wir sitzen hier in der Falle und jeden Augenblick können diese Ungeheuer die Tür einschlagen und hereinkommen, aber wir reden über Cheerleading und Gitarren.«
Michael nickte. »Vielleicht hat das ja auch etwas Gutes. Es lenkt uns ab.«
»Ich wünschte, ich könnte mein Gehirn für eine Weile abschalten. Für ein paar Tage. Ich würde alles dafür geben, wenn ich einfach aufhören könnte zu denken.«
»Ja, ich auch.«
Sie schwiegen eine Weile, dann fragte Clementine: »Warum?«
»Ich weiß nicht.«
»Glaubst du, wir haben es verdient? Die Menschen sind nicht unbedingt das Beste, was der Erde passieren konnte. Vielleicht sind wir zu weit gegangen. Vielleicht haben wir zu viel zerstört.«
»Das glaube ich nicht.«
»Glaubst du an Gott?«
»Nein. Du?«
Sie zögerte. »Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht. Aber wenn es einen Gott gibt, glaube ich nicht, dass er das alles gewollt hat.«
»Es könnte eine Krankheit sein.«
»Vielleicht.«
»Was bedeutet, dass jeder diese Krankheit bekommen kann.«
»Dann wären wir immun dagegen«, sagte sie. »Wenn wir uns angesteckt hätten, wären wir schon längst zu Hetzern geworden.«
»Ich bekomme Kopfschmerzen, wenn ich darüber nachdenke«, sagte er. »Es gibt Dinge, die muss man einfach akzeptieren. Ich verstehe es nicht, aber ich weiß, dass ich diese Sache hier überleben will. Das ist, glaube ich, alles, was ich wissen muss.«
Sie nickte und sagte nichts mehr.
Es war die längste Nacht seines Lebens. Jedes Mal, wenn es irgendwo im Haus knarrte, klopfte ihm das Herz bis zum Hals. Als der Wind sich gegen die Fenster warf, musste er sich zusammenreißen, um nicht aufzuspringen und davonzulaufen. Er bildete sich ein, hören zu können, wie die Hetzer die Treppe zur Haustür heraufkamen. Er stellte sich vor, wie sie die Fenster einschlugen und hereinkletterten, die Augen vor Wut verzerrt, bereit, sie zu holen.
Doch nichts geschah.
Gegen zwei Uhr morgens schlief Clementine auf der Couch neben dem Feuer ein. Michael wurde müde, doch er zwang sich, wach zu bleiben. Er beschäftigte sich, indem er von Zeit zu Zeit das Feuer schürte. Er versuchte, eines der Bücher aus dem Regal zu lesen, doch er konnte sich nicht konzentrieren. Nachdem er ein und denselben Absatz fünfmal gelesen hatte, gab er es auf und stellte das Buch zurück. Er sah die DVD-Sammlung neben dem Flatscreen-Fernseher durch und kam zu dem Schluss, dass der Besitzer der Blockhütte einen grauenhaften Geschmack hatte.
Schließlich setzte er sich in einen Sessel und schloss die Augen.
Es dauerte nicht lange, bis er einschlief.
Einige Stunden später wachte er mit einem Ruck auf. Das Feuer war heruntergebrannt. Clementine lag noch auf der Couch, zu einem kleinen Ball zusammengerollt, und unter der viel zu großen Wollmütze war nur die Hälfte ihres müden Gesichts zu erkennen.
Michael stand auf und warf ein paar Scheite in die Glut, um das Feuer wieder zu entfachen. Im Wohnzimmer war es angenehm warm. Sobald die Flammen wieder emporschlugen, ging er zum Fenster und warf einen Blick hinaus. Der Schneesturm war in der Nacht zu Ende gegangen und die Morgensonne schickte ihre ersten Strahlen über die Baumwipfel. Es wirkte geradezu friedlich. Auf dem Boden lag eine geschlossene Schneedecke.
Er konnte keine Fußabdrücke sehen. Das war ein gutes Zeichen.
Er würde das Feuer noch zehn Minuten brennen lassen und es dann löschen. Der Rauch war ein zu großes Risiko.
Michael ließ Clementine schlafen und ging in die Küche, wo er die Schränke durchsuchte und die teure Espressomaschine musterte. Kaffee fehlte ihm. Früher war es ganz leicht gewesen, welchen zu bekommen. Dazu war er einfach in ein Geschäft gegangen, hatte einen Kaffee bestellt, in groß, Venti oder Jumbo oder was auch immer gerade für die Bechergröße verwendet wurde, und ein dampfend heißes Getränk seiner Wahl bekommen. Latte. Mochaccino. Caramel macchiato.
Jetzt war Kaffee mehr oder weniger ein Ding der Unmöglichkeit, es sei denn, man hatte ein offenes Feuer in der Nähe. Was an diesem Morgen tatsächlich der Fall war. In einem Unterschrank entdeckte er einen großen Topf und füllte ihn mit Wasser aus einer Flasche, die er in der Speisekammer
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