Dark Inside (German Edition)
müssen.«
»Das ist ein Argument.«
Sie gingen zurück ins Wohnzimmer und Michael entdeckte den offenen Kamin. Daneben lagen ordentlich aufgestapelt einige Holzscheite und Anfeuerholz. Er kniete sich hin und begann, das Holz aufeinanderzuschichten. Dann entzündete er an einer Stelle vorsichtig ein Streichholz. Er hatte eine Menge Erfahrung von ausgedehnten Campingurlauben mit seinem Vater und es dauerte nicht lange, bis das Feuer brannte und der Raum zumindest ein bisschen wärmer wurde.
Clementine schälte sich aus ihrer nassen Jacke und setzte sich heftig zitternd mitten auf den Boden, um die Schnürsenkel ihrer Schuhe aufzumachen.
»Ich spüre meine Zehen nicht mehr«, jammerte sie.
Michael ging zu ihr. Er zog ihr die Socken aus und sah sich ihre Füße an. Sie waren kalkweiß, doch er konnte keine Anzeichen von Erfrierungen feststellen. Er nahm ihren linken Fuß zwischen seine Hände und fing an, ihn kräftig zu reiben.
»Mein Vater hat das auch immer gemacht, wenn ich nach dem Hockeytraining kalte Füße hatte«, erklärte er. »Es funktioniert echt gut. Sie sind gleich wieder warm.« Als er mit dem einen Fuß fertig war, nahm er sich den zweiten vor. Langsam kehrte Farbe in die kalte Haut zurück.
»Und wenn sie das Feuer sehen?«, fragte sie. »Sollten wir nicht die Vorhänge zuziehen?«
»Ja, das ist vermutlich eine gute Idee.«
Sie gingen zu den Fenstern. Als Michael einen Blick nach draußen warf, sah er nur Schneegestöber. Selbst die Bäume vor der Blockhütte waren kaum zu erkennen. Er schloss die Vorhänge, nur für den Fall.
»Wird ihnen denn nicht auffallen, dass Rauch aus dem Schornstein kommt?«
Er schüttelte den Kopf. »Das bezweifle ich. Nicht bei diesem Sturm. Wenn er nachlässt, werden wir vorsichtiger sein müssen.«
Als Clementine wieder zum Kamin ging, fiel ihm auf, dass sie hinkte. Was ihn nicht weiter wunderte. Ihre Turnschuhe aus weichem Leder waren für den Sommer gedacht und ihre nassen Socken so dünn wie Nylonstrümpfe. Er ignorierte seine Füße, die ebenfalls schmerzten, und ging zu dem Wandschrank neben dem Eingang, in dem er einen dicken Wollschal und eine dazu passende Mütze fand.
»Hier«, sagte er. Er nahm die Mütze und setzte sie Clementine auf. Sie war ihr zu groß, würde sie aber wärmen. Dann wickelte er ihr den Schal um den Hals.
»Ich gehe nach oben und sehe mich mal um«, sagte er. »Vielleicht finde ich irgendwo ein paar Pullover.«
»Okay.«
Michael versuchte, das Déjà-vu zu ignorieren, und betrat die Treppe. Er sah noch einmal genau vor sich, was das letzte Mal passiert war, als er nach oben gegangen war, um sich umzusehen. Leichen waren das Letzte, was er jetzt finden wollte.
Im zweiten Schlafzimmer stieß er auf ein paar dicke Pullover und Socken. Er nahm die Sachen und lief zurück nach unten, wo Clementine sich in eine Decke gewickelt hatte.
»Die Decke war hinter der Couch«, sagte sie.
Sie zogen die warme Kleidung an und setzten sich vor das Feuer. Jetzt konnten sie nur noch warten.
»Hast du Hunger?«, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. »Das Ganze hat mir auf den Magen geschlagen. Ich kann jetzt nichts essen. Du etwa?«
»Nein.«
Sie saßen eine Weile da und starrten in das knisternde, Funken sprühende Feuer.
»Weihnachten habe ich das letzte Mal vor so einem Feuer gesessen«, sagte sie. »Es war unser erstes Weihnachten ohne Heath.«
Michael stand auf und warf noch ein Scheit Holz in das Feuer. »Du scheinst dich gut mit deinem Bruder zu verstehen. Du hast Glück. Ich habe irgendwo eine Schwester, aber wir sehen uns nie. Sie wohnt bei meiner Mom. Oder besser, sie hat bei ihr gewohnt.«
»Sag so was nicht. Du weißt es doch gar nicht.«
»Du hast recht.«
»Ja, Heath und ich verstehen uns gut«, ergänzte Clementine. »Wir haben auch viel zusammen unternommen. Es war ätzend, als er nach Seattle gegangen ist. Ich wollte ihn immer besuchen, aber ich war viel zu beschäftigt. Schule. Cheerleadertraining. Craig Strathmore. Jetzt kommt mir das alles so unwichtig vor. Ich weiß gar nicht mehr, warum es mir so viel bedeutet hat.«
»Ich habe Football gespielt und in einer Band war ich auch«, sagte Michael. »Wir waren grauenhaft. Unser Sänger konnte keinen einzigen Ton treffen. Mir ging es genauso wie dir. Es schien alles so furchtbar wichtig zu sein. Jetzt ist es mir eigentlich egal, ob ich je wieder eine Gitarre in der Hand halte.«
Clementine schüttelte den Kopf. »Sag das nicht. Wir sollten eine Gitarre für dich
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