Dark Kiss
ich für ihn gefährlich sei? Das lästige Zittern kehrte zurück. Schließlich nahm ich den Dolch aus seiner Hand. Meine Finger berührten seine, und dieses seltsame, energiegeladene Gefühl durchzuckte mich wieder. Diesmal hatte ich zum Glück keine albtraumhaften Visionen. Die Waffe war sehr schwer, und ich hielt sie an der Seite an mein Bein, sodass man sie nicht von der Straße aus sehen konnte. Ich fühlte mich damit tatsächlich besser.
Ich sah ihn noch einmal erstaunt an, weil er dieser Sache zugestimmt hatte. Dieser Dolch war unglaublich wichtig für seine Mission, und er gab ihn mir – einer Gray, wie sie das, was ich jetzt war, bezeichneten. Aber in einem Punkt hatte er recht– es würde mich eine Menge Überwindung und Kraft kosten, irgendjemandem dieses Messer in die Brust zu rammen. Ihn zu verletzen war das Letzte, was mir jetzt in den Sinn kam.
„Du bist anders“, meinte er nach einer Weile, als er mich unter einer Straßenlaterne musterte. „Anders als alle, die ich jemalsgetroffen habe. Ich wünschte, ich könnte sagen, warum.“
Jemals? Mir stockte der Atem. „Ist das ein Kompliment oder eine Beobachtung?“
Er grinste. „Beides.“
Konzentrier dich, Samantha, ermahnte ich mich. Ich durfte mich von diesem schönen, gefährlichen Engel, der in einer himmlischen Mission unterwegs war, nicht ablenken lassen. Er war nur ein Mittel, um meine Seele zurückzubekommen, und das war der einzige Grund, wieso ich jetzt hier war. Ich hatte in diesem Jahr schon genug schmerzhafte Bienenstiche kassiert, ich brauchte nicht noch einen.
Wenn ich nur seine Gedanken lesen könnte! Er sagte ständig Dinge, die mir den Eindruck vermittelten, dass er mehr in mir sah als ein seelenloses Monster aus der Nachbarschaft. Er beobachtete mich, als wüsste er nicht, wie er sich mir gegenüber verhalten sollte. Doch er versuchte nicht, auf Abstand zu gehen. Genau genommen war er gerade etwas zu nahe – so nah, dass ich die Wärme seines Körpers spüren konnte.
Ich fühlte mich wieder wie benebelt, atmete tief ein und ließ die Luft langsam wieder entweichen. „Wenn ich dir helfe, dann bin ich aber irgendwie auch in deinem Team, oder?“
Diesmal sah er mich an, und seine Augen leuchteten im Mondlicht in einem intensiven Indigo. „Ich habe nicht mehr viel Zeit, die anderen aufzuspüren, denn die Lichtsäulen werden verblassen. Dann werde ich sie nie mehr finden. Sie werden in der Stadt umherwandern, ohne zu ahnen, wer sie sind und warum sie hier sind. Wir haben keine Zeit für Spielchen.“ Wieder war er meiner Frage ausgewichen.
„Mir ist auch nicht nach Spielen zumute.“
„Du hilfst mir, die anderen zu finden, das ist alles. Du gehörst nicht wirklich dazu.“
Meine Frustration schäumte über. „Wenn ich nicht dazugehöre, wieso brauchst du dann meine Hilfe? Vielleicht sollte ichfür heute Schluss machen. Ich habe noch ein paar Hausaufgaben zu erledigen. Auch Grays wie ich brauchen gute Noten, wenn sie aufs College wollen.“ Es war ein armseliger Versuch, ihn dazu zu bringen, zu sagen, dass er auf mich angewiesen war, dass ich jetzt dazugehörte, ob es mir gefiel oder nicht. Ein kleiner, verängstigter Teil von mir wollte ihm trotz allem helfen. Ich wusste, wie wichtig das hier war.
„Du wirst nicht aufs College gehen, wenn du mir nicht hilfst. Du bist genau wie die anderen in dieser Stadt gefangen, solange dir deine Seele fehlt.“
„Wegen dieser Barriere um die ganze Stadt, von der du Stephen erzählt hast? Die alle Grays davon abhält, sie zu verlassen?“
Er nickte. „Wenn es dich beruhigt, Engel und Dämonen sind davon auch betroffen. Alles Übernatürliche. Alles Nichtmenschliche.“
Ich biss die Zähne zusammen, weil ich nicht wollte, dass er bemerkte, wie sehr mich diese Nachricht niederschmetterte. „Fein. Dann besuche ich das College hier.“ Ich starrte ihn wütend an. „Ich nehme an, wo du herkommst, ist es anders, aber bei uns ist man nett zu Leuten, deren Hilfe man braucht. Mir deine glitzernde Waffe zu überlassen reicht da nicht annähernd.“
Er warf mir einen gereizten Blick zu. „Ich bin nett.“
Ich lachte schallend. „Netter Versuch. Sieh mal, ich weiß, dass du Probleme damit hast, dass ich diese bizarren Lichter für dich ausmache und dich zu den anderen leite. Doch du brauchst mich nun einmal!“
Er presste die Lippen aufeinander und sah mich so intensiv an, dass es mir schwerfiel, weiter geradeaus zu gehen. Ich fasste das als Zustimmung auf. Das vereinfachte die
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