Dark Kiss
einfach, damit umzugehen, oder?“
„Fühlst du ihn auch?“
„Oh mein Gott, ja. Du hättest sehen sollen, was ich alles zum Mittag gegessen habe. Ich bin zu McDonald’s gegangen. Sie fahnden wahrscheinlich schon nach dem Mädchen, das vier McChicken und zwei große Portionen Pommes verdrückt hat.“
„Wow. Beeindruckend.“
Das Einzige, was mich dazu verleitete, heute Abend ins Crave zu gehen, war die Aussicht auf Antworten. Echte Antworten diesmal und nicht irgendwelche Scheinwahrheiten und glitzernde Verkaufsangebote von Stephen. Ich brauchte Bishop, um meine Seele zu retten, aber inzwischen konnte ich auch einige eigene Recherchen anstellen. Ich konnte ihm auch helfen, wenn mich meine Nachforschungen zu der Quelle führten.
„Na gut“, sagte ich schließlich. „Ich werde dich begleiten.“
Sie umarmte mich und schloss dann ihren Wagen auf. „Ich hole dich um acht Uhr ab. Mach dich ein bisschen hübsch, ich glaube, wir sollten heute Abend richtig scharf aussehen.“
Ich sah sie vorwurfsvoll an. „Wie, du lässt mich einfach so hier stehen? Du könntest mich zumindest nach Hause fahren.“
„Du wohnst drei Blocks von hier entfernt.“ „Ja und?“
Sie lachte. „Na gut, faules Stück. Steig ein.“
Beste Freundinnen bis zum bitteren Ende. Das war immer unsere Philosophie gewesen. Jetzt waren wir durch einen Kuss von Stephen Keyes beide seelenlos. Und außer unserem gestiegenen Bedürfnis nach Chicken Wings und Fast Food schien sich nichts geändert zu haben. Das war eine große Erleichterung.
Vielleicht hatte Bishop ja unrecht bezüglich der Grays. Vielleicht hatte er einfach nur ein paar schlechte Informationen bekommen und die ganze Mission war eine riesige Verschwendung von Zeit und Energie. Vielleicht würde unabhängig von der Tatsache, ob ich meine Seele zurückbekam oder nicht, alles gut werden.
Nein, ich glaubte nicht, dass es auch nur ansatzweise so einfach sein würde.
Das Einzige, was ich mit Sicherheit wusste, war, dass ich heute Abend ein paar Antworten erhalten würde. Ich wünschte mir nur, dass die Fragen nicht so verdammt gruselig wären.
14. KAPITEL
N ach der Schule und bis zum Abend hatte ich nichts von Bishop und den anderen gehört. Auch wenn ich Kontakt zu ihm aufnehmen wollte, hätte ich keine Ahnung, wie.
Ich musste immerzu an ihn denken. Darüber, was ich über ihn und Kraven erfahren hatte, und an die Hoffnung, dass er auch Carly helfen konnte. Bishop spukte mir die ganze Zeit im Kopf herum. Außerdem war ich gern in seiner Nähe – die Wärme, mit der er mich erfüllte, der Klang seiner Stimme, seine große und kraftvolle Erscheinung, die mir das Gefühl vermittelte, beschützt zu werden. Ich mochte manchmal sogar die Art, wie er mich herausforderte. Ich vermisste ihn mehr, als ich erwartet hätte.
Statt darüber nachzugrübeln, machte ich mich fürs Crave fertig. Ich brezelte mich auf, als sei Wochenende – mit einem kurzen schwarzen Rock, einer schwarzen Strumpfhose, einem Glitzertop, hohen Stiefeln und meiner knielangen Lederjacke. Meine Winterjacke musste bis zu einem weniger schicken Anlass warten. Dann nahm ich mir Zeit zum Schminken, legte dicken schwarzen Eyeliner auf und bürstete alle Knoten aus meinem Haar, bis es ordentlich über meine Schultern bis zur Hüfte hinunterfiel. Ich betrachtete das Ergebnis im Spiegel – nicht gerade ein Topmodel, aber ansonsten gar nicht schlecht. Es gab mir etwas mehr Selbstvertrauen für mein Treffen mit Stephen und der mysteriösen Frau.
Bishop wäre sicher verärgert darüber, dass ich wieder ins Crave ging, doch was hatte ich für eine Wahl? Ich wollte Antworten und hatte die Chance, welche zu bekommen. Das konnte ich nicht ablehnen.
Carly holte mich um acht Uhr ab und sah ebenfalls scharf aus in dem roten Kleid, das sich an ihren Körper schmiegte.
Zehn Minuten später kamen wir beim Club an.
Als wir vom Parkplatz aus aufs Crave zuliefen, bemerkte ich einen Mann, der auf dem Bordstein saß und eine Schachtel vor sich aufgestellt hatte, zusammen mit einem Schild, auf dem er um Kleingeld bat. Sein Gesicht war schmutzig, sein dunkles Haar matt und verfilzt, und sein Bart machte auch keinen besseren Eindruck. Die Ränder seiner Fingernägel waren schwarz. Er blickte mich aus trüben Augen an. In seiner Schachtel lagen ein paar Münzen.
„Ich wünsche den jungen Damen einen wundervollen Abend“, sagte er.
Mir war der Kerl sofort sympathisch. Einige Leute, die ich in meiner kurzen Zeit als Straßenkind
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