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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Habel
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Tag zur Fee, zur Meerjungfrau oder zum Soldaten gemacht hatte. Ich hatte mich über die Jahre selbst davon überzeugt, dass ich einen großartigen Soldaten abgeben würde – mutig und treu und aufopferungsvoll. Natürlich waren Frauen beim Militär verboten, doch mein Vater hatte mir Geschichten von Mädchen erzählt, die sich die Haare geschoren und den Busen flachgebunden hatten und dann als ein John oder James der Armee beigetreten waren. Wenn ich mal wieder mit meinen Teddys Krieg spielte, hatte er gescherzt, dass er mich schon hineinschmuggeln würde. Er machte im Garten hinter unserem damaligen Haus Drillübungen mit mir und erteilte mir meinen ersten Schießunterricht. Und das mir, die ich so zierlich und unsoldatenhaft war, wie ein Mädchen nur sein konnte.
    Doch das alles spielte nun keine Rolle mehr.
    Das Begräbnis von Dr.   Victor Dearly war eine Staatsangelegenheit. Mein Vater hatte seine Karriere bei der Armee als Militärarzt schon lange vor meiner Geburt begonnen und als ich noch ein kleines Mädchen war, hatte er sich bereits als Held ausgezeichnet. Der damalige Premierminister, Lord Harvey Ayles, war eines Tages erschienen, um die Militäreinheit, der mein Vater angehörte, zu inspizieren und die Moral der Soldaten zu stärken. Die Punks hatten ebenjenen Zeitpunkt gewählt, um einen Angriff zu starten. Mein Vater war ohne Rücksicht auf sein eigenes Leben durch den Kugelhagel gerannt, um den Premierminister mit seinem Körper abzuschirmen. Fünf Schüsse hatten ihn getroffen.
    Beide überlebten den feindlichen Angriff. Mein Vater wurde geehrt und erhielt hohe Auszeichnungen. Ihm wurde sowohl ein Posten im Ministerkabinett als auch das Amt des obersten Militärarztes angeboten. Er lehnte beides ab und entschied sich dafür, das Ministerium für Militärgesundheit zu leiten. Meine Mutter hatte er damit schier in den Wahnsinn getrieben. Ihm war ein Platz unter den Ranghöchsten des Landes angeboten worden und er hatte ihn abgelehnt. Was sollte sie nur mit ihm anfangen?
    Weil auch meine Mutter nicht mehr lebte, fiel es mir zu, die erste Handvoll Erde in sein Grab zu werfen. Lord Harvey Ayles selbst reichte sie mir. Einst war er ein schöner Mann voller Tatendrang gewesen, doch Alter und Krankheit hatten ihn zu einem hoch angesehenen Einsiedler gemacht. Die Tatsache, dass er darauf bestanden hatte, dem Begräbnis meines Vaters persönlich beizuwohnen, zeigte mir und auch allen anderen, dass er noch immer großen Respekt für ihn empfand. Er saß in einem Rollstuhl, umringt von Leibwächtern. Er war in einen Umhang gehüllt, sein Gesicht wurde von einem Schlapphut und einer großen, dunkel getönten Brille verborgen.
    Lord Ayles nannte mich »Miss Nora« und erklärte mir, dass mein Vater einer der Besten gewesen sei.
    Der Steinmetz hatte das Datum seines Todes noch nicht in den Grabstein gemeißelt. Aus irgendeinem Grund empfand ich das als tröstlich, selbst dann noch, als die Erde seinen Sarg traf.

    »Miss Dearly?«
    Ich schrak hoch, als Alencars Stimme aus der Gegensprechanlage drang und mich weckte. Er klopfte gegen seine Seite der Trennscheibe, bevor er sie herunterfuhr. Ich richtete mich auf. Pamela regte sich neben mir.
    »Es gibt da ein Problem, Miss Dearly.«
    Ich sah aus dem Seitenfenster, das nun wieder zu durchsichtigem Glas wurde. Wir standen in einer Reihe von Kutschen, die sich durch die unbewohnte, hügelige Landschaft zwischen dem Villenviertel und den westlichen Ausläufern der Stadt New London zog. Vor uns lag in einiger Entfernung der Eingang zu den Elysischen Gefilden, ein marmornes Pförtnerhaus, das in einen flachen Hügel eingelassen war. Die Straße, die dorthin führte, war mit Fahrzeugen verstopft.
    »Was ist da los?«, fragte ich.
    »Das hat bestimmt etwas damit zu tun, was sie in den Nachrichten gebracht haben«, murmelte Pam verschlafen.
    »Sie lassen keine Fahrzeuge hinein«, sagte Alencar, während er eilig auf seinem schlichten, schwarzen Mobiltelefon herumtippte. »Nur Fußgänger. Sie versuchen, so viel wie möglich von der Ausrüstung aus der unteren Ebene zu bergen. Anscheinend ist die zweite Ebene inzwischen unser neues unterirdisches Schwimmbad.«
    Ich tätschelte Pams Schulter. »Siehst du? Kein Grund zur Aufregung.« Ich lehnte mich nach vorne und schob meinen Kopf in Alencars Hälfte der Kutsche. »Lassen Sie mich hier aussteigen und bringen Sie Miss Roe nach Hause. Ich brauche nur ein paar Minuten, und bis Sie zurück sind, bin ich schon zu Hause.«
    »Nora!

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