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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Habel
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trat nach seinem Schienenbein und zielte auf die Stelle, an der sich die Haut direkt über dem Knochen spannte, doch er wich mir aus.
    »Lassen Sie mich los!«, schrie ich und schlug mit meiner freien Hand nach ihm, bis er auch diesen Arm festhielt.
    »Miss Dearly, bitte begreifen Sie! Sie sind in Gefahr und ich bin hier, um Ihnen zu helfen … Ihr Vater würde wollen, dass ich Ihnen helfe!«
    Dies war eine so lächerliche Aussage, dass ich unwillkürlich aufhörte, mich zu wehren, wenn auch nur für eine Sekunde. »Mein Vater ist tot ! Und Sie müssten schon aus dem Jenseits kommen, um zu wissen, was er will !«
    Der Mann stellte das Gerangel nun ebenfalls ein und in seiner Stimme klang grimmige Belustigung, als er sagte: »Tja, was das angeht …«
    »Stehen bleiben!«
    Das waren die beiden Polizisten, denen ich gerade begegnet war. Ihre Schritte hämmerten auf dem Asphalt und sie zogen bereits ihre Elektroschlagstöcke aus den Hüftgurten. Einer von ihnen blies in eine silberne Pfeife. So rief er gleichzeitig seine Kameraden herbei und sandte ein Signal an die nächstgelegene Polizeistation, um seine Position durchzugeben.
    Der Mann im Umhang ließ mich los. »Sie denken vielleicht, das hier sei ein kranker Scherz oder ich sei verrückt, aber es ist die Wahrheit!«, raunte er. »Sie sind in Gefahr, Sie müssen mit mir kommen!«
    Ich starrte in seine Kapuze, dorthin, wo sein Gesicht sein musste – und als die Flammen in den Straßenlaternen aufflackerten, erhaschte ich einen kurzen Blick in seine Augen.
    Sie schimmerten wie neblig weiße Opale. Die Augen eines Blinden.
    Ich kam zu dem Schluss, er müsse verrückt sein, und floh zu den Polizisten. Mein Herz hämmerte. Als ihm klar wurde, dass er alleine gehen musste, rannte der Vermummte in die entgegengesetzte Richtung davon. Einer der Polizisten blieb bei mir, eine Hand auf meinem Unterarm, während der zweite die Verfolgung aufnahm. In der Ferne vernahm ich Sirenengeheul.
    »Kennen Sie diesen Mann, Miss?«
    »Nein.« Ich atmete tief durch. »Er muss ein Kriegsveteran sein, er sagte, er kenne meinen Vater, Dr.   Victor Dearly. Er benahm sich, als müsse er mich vor etwas beschützen. Ich glaube nicht, dass er mir etwas antun wollte.« Vielleicht hatte der Krieg diesen armen Kerl in den Wahnsinn getrieben – er war also eine verlorene Seele, wie man es nannte.
    Der Polizist gab meinen Bericht weiter, indem er ihn in das Mikrofon an seinem Revers sprach. Dann eskortierte er mich zu meinem Haus, das nur noch einen Block entfernt lag. Meine Blicke huschten durch jede Straße, die wir überquerten, plötzlich fürchtete ich mich vor jedem Schatten, vor jeder Bewegung, die die aufbereitete Luft in den Bäumen verursachte. Außerdem fragte ich mich beunruhigt, wie ich Tante Gene erklären sollte, warum ich mit einem Polizisten im Schlepptau ankam. Sie war nicht gerade ein Ausbund an Mitgefühl. Sie würde mir wohl eher den Kopf abreißen, weil ich es gewagt hatte, alleine nach Hause zu laufen, ganz zu schweigen davon, dass ich auch nur eine Silbe mit einem Fremden gewechselt hatte. Irgendwie wäre die ganze Sache plötzlich meine Schuld – einfach alles, und nicht nur der Teil, als ich dummes Ding mich dazu entschloss, allein aus der Kutsche zu steigen.
    Pamela würde sich den Rest von mir vornehmen, nachdem Tante Gene ja schon meinen Kopf hatte. Zusammen würden sie mich zerlegen wie ein Mastschwein am Weihnachtsabend.
    Mir war klar, dass der Polizist darauf bestehen würde, selbst an der Tür zu läuten, also versuchte ich gar nicht erst, ihn davon zu überzeugen, mich das Haus einfach alleine betreten zu lassen. Als ich das vertraute »Ding-dong!« hörte, vergrub ich die Hände in den Ärmeln meines Mantels und rollte die Zehen in meinen quietschenden neuen Stiefeln zusammen, während ich fieberhaft überlegte, was ich als Druckmittel gegen das Hausmädchen Matilda in der Hand hatte, damit sie mich nicht verpfiff. Nur leider fiel mir so ziemlich gar nichts ein. Ihr Rendezvous mit dem Butler von nebenan hatte ich schon beim letzten Mal benutzt.
    Matilda, eine imposante Frau mit einer Haut wie aus Ebenholz, öffnete die Tür – vielmehr steckte sie nur ihren Kopf hinaus. Sie linste um die Ecke, während sie ihren Körper weiter außer Sicht hielt.
    »Nora?«, fragte sie und die Kinnlade fiel ihr herunter, als sie den Polizisten sah.
    Jetzt oder nie.
    »Oh, Tante! Du wirst nicht glauben, was mir passiert ist!«, schluchzte ich, stürzte ins Haus und schlang meine

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