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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Habel
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der Ebene; auf ihnen waren die Läden und Gewerbegebäude errichtet worden. Die Nebenstraßen verliefen von dort aus spiralförmig nach außen. Die Häuser entlang dieser Straßen waren neu und nach dem Vorbild neugotischer Architektur mit Säulen und ausladenden Bogenfenstern errichtet. Jeweils vier Häuser teilten sich einen Garten im Innenhof, in dessen Mitte ein kleiner Springbrunnen stand. Nur die Eckhäuser waren so gebaut, dass sie etwas mehr Privatsphäre gewährten. Und eines dieser Häuser war unseres. Vor und hinter ihm erstreckten sich Rasenflächen, von denen die hintere allerdings an der Wand endete. Virtuell war natürlich alles so gestaltet worden, dass es aussah, als dehnte sich die Grasdecke bis zum Horizont. Man konnte dort sogar Hologramm-Bäume erkennen, die sich sanft in einer nicht existierenden Brise wiegten.
    Nachdem ich die Bauarbeiter hinter mir gelassen hatte, fand ich die Straßen größtenteils verlassen vor. Ich begegnete einigen Bediensteten, die die winzigen Modehündchen ihrer Herrinnen ausführten, und nickte jedem von ihnen zu. Einmal traf ich auf zwei Polizisten, die sich grüßend an die Mützen tippten, ohne mich genauer anzusehen. Doch niemand versuchte, sich mir zu nähern oder mich anzusprechen. Ich empfand es als eine willkommene Abwechslung. Es fühlte sich an, als hätte ich mehr Raum zum Atmen, auch wenn ich infolge meines Traums noch immer eher morbiden Gedanken nachhing.
    Ansonsten begegnete mir nach den Polizisten niemand mehr, bis ich auf den schwarz gekleideten Mann stieß.
    Ganz in meine Gedanken vertieft, hatte ich noch nicht einmal wahrgenommen, dass es sich bei der Gestalt, der ich mich näherte, tatsächlich um einen Menschen handelte. Alles, was ich sah, war ein Schatten, der an der letzten Ecke vor unserem Haus unter einer flackernden Gaslaterne kauerte. Als ich mich ihr näherte, bemerkte ich, wie groß die Gestalt war. Offensichtlich handelte es sich um einen Mann in einem pechschwarzen Umhang. Die Kapuze hatte er sich tief ins Gesicht gezogen, sodass man es im trüben Licht nur schwer erkennen konnte.
    Ich straffte die Schultern und ging weiter. Unsere Nachbarschaft war sehr sicher und nur der Nachhall der beständigen Ermahnungen meiner Mutter, ja vorsichtig zu sein, ließ mich zögern. Tatsächlich war ich in meinem ganzen Leben noch kein einziges Mal belästigt worden.
    Die verhüllte Gestalt wandte sich mir zu. »Miss Dearly?«
    Ich blieb wie angewurzelt stehen.
    Höflichkeit und Vorsicht rangen in meinem Kopf um die Oberhand, doch die in langen Schuljahren anerzogene Höflichkeit trug den Sieg davon. »Ja?«
    Der Mann näherte sich mir mit hinkendem Gang. Wenn er vorhatte, sich auf mich zu stürzen, stünden seine Chancen wohl nicht so gut.
    »Bitte verzeihen Sie mir meine Unverfrorenheit, doch wenn Sie mir einen Augenblick Ihrer Zeit gewähren wollen, verspreche ich, sie nicht zu vergeuden.« Er sprach langsam und seine Stimme war rau, aber zugleich überraschend schön. Beruhigend. Wie Herbstwind, der durch die Blätter fährt.
    Ich presste die Lippen aufeinander, doch dann schüttelte ich den Kopf. »Ich glaube, es wäre das Beste, Sie kämen zum Haus meiner Tante und bäten um ein Gespräch mit mir. Jede andere Form einer Begegnung wäre unschicklich.« Ich lief weiter, schneller jetzt.
    »Ich bitte Sie«, erwiderte der Mann und blieb stehen. Er machte keinerlei Anstalten, mich zu verfolgen. »Es geht um Ihren Vater.«
    Abrupt hielt ich inne und drehte mich um. »Mein Vater? Wer sind Sie?«, verlangte ich zu wissen und meine Stimme klang schärfer als beabsichtigt. Mit einem unangenehmen Gefühl in der Brust versuchte ich, den Geist meines Traumes abzuschütteln.
    Der Mann gestikulierte mit seiner behandschuhten Hand. »Wir … waren gemeinsam in der Armee. Er hat mir das Leben gerettet.«
    Ich musterte ihn einen Moment lang, bevor ich beschloss, seiner Bitte nachzugeben. Ich lächelte schwach. »Das freut mich. Er war ein edler Mensch.«
    Der Mann nickte ehrfürchtig, als wäre von einem Heiligen die Rede.
    »Er … war … ein edler Mensch. Ein Mann voller Güte.« Er ging einen Schritt auf mich zu. »Und ich weiß, er wäre sehr glücklich, Sie in Sicherheit zu wissen.«
    Und dann war er über mir.
    Er bewegte sich blitzschnell und packte geschickt und fest mein Handgelenk. Ich drehte meinen Arm, wie mein Vater es mir gezeigt hatte, und versuchte, die Stelle zu durchbrechen, an der sich seine Fingerkuppen trafen, doch es gelang mir nicht. Ich

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