Dark Love
drückte und zog an verschiedenen Teilen. Es war fast, als würde er einen Balztanz aufführen.
»In Ordnung«, sagte er, als er schließlich einen Schalter umlegte. »Tom, du schaufelst die Kohle. Dahinten sollte es einen Knopf geben, um den Heizkessel anzufeuern.«
Tom sah sich um, entdeckte den Heizkessel und einige offene Kohlekisten, die nur darauf warteten, hineingeschaufelt zu werden. Er stöhnte. »Warum muss immer ich diesen Kram machen?«
Ren ignorierte ihn. »Coalhouse, du kümmerst dich um den Ballon. Er pumpt sich selbst auf, du musst nur einen Hebel betätigen. Meinst du, du bekommst das hin?«
Coalhouse deutete auf sich. »Ähm, immerhin bin ich hier der Punk, weißt du noch?«
»Und Bram, du stabilisierst das zweite Steuerrad.« Er deutete in den Schiffsbug. Dort stand unter einem abgeriegelten Fenster ein zusätzliches Steuerrad.
»Und was mache ich?«, fragte Nora.
»Und ich?«, ergänzte Chas.
Renfield deutete auf eine Holzkiste. »Ihr beide setzt euch hin und versucht, möglichst nichts anzufassen.«
Chas überlegte kurz. »Weißt du, wenn du so was sagst, verspüre ich einen unwiderstehlichen Drang, sofort irgendetwas anzufassen.«
Nora nahm sie am Arm. »Komm schon. Normalerweise würde ich dir da ja zustimmen, aber jetzt nicht. Sehen wir einfach zu, dass wir sie in die Luft kriegen.«
Ich wusste zwar, dass Renfield guten Grund für seine Entscheidung hatte – das Luftschiff war nicht völlig veraltet und man benötigte keine komplette Crew, um es zu fliegen –, aber ich mochte den Gedanken nicht, dass Nora sich überflüssig fühlte und vielleicht ihren Kampfgeist verlor. Ich winkte sie zu mir. »Komm, hilf mir mit dem Steuerrad. Und du, Chas, du versuchst wirklich, möglichst nichts anzufassen. Okay, lasst uns fliegen. Los!«
Nora kam herüber und packte zwei der Radspeichen, doch sie sah mich fragend an. »Brauchst du wirklich Hilfe oder willst du mich nur bemuttern?«
Ich öffnete die Fensterläden. »Oh, glaub mir, Nora … ich brauche wirklich Hilfe.«
Sie musterte mich abschätzig und schmunzelte dann.
Das kam einem Lächeln näher als alles, was ich seit Längerem von ihr bekommen hatte, und ich nahm es bereitwillig an.
Das Plastikkätzchen lag wieder zusammengerollt in meiner Hand. Ich barg es so behutsam, als wäre es ein echtes, denn es war zu etwas sehr Kostbarem geworden.
Die Flut der Untoten hatte an Wucht verloren und ich begann mich bereits zu fragen, ob die Dinge wirklich so schlimm standen, wie wir zuerst angenommen hatten.
Es hatte nicht den Anschein, als ob viele von ihnen intelligente Entscheidungen trafen. Sie versuchten nicht, durch irgendwelche Türen zu gelangen, und schwärmten nicht einmal in die Seitenstraßen aus, wenn sie nicht zufällig auf ein Geräusch oder eine Bewegung aufmerksam wurden. Die meisten von ihnen liefen einfach, wohin der Strom sie trieb, wie Wasser in einer Rinne. Als wäre die George Street für sie zu einem riesigen Trichter geworden.
Im Osten konnte ich Rufe und Schreie hören. Ich schluckte und versuchte, nicht an die Lebenden zu denken, die noch immer durch die Straßen flohen. Die Zombies am vorderen Ende der Lawine drängten schneller vorwärts als jene weiter hinten. Das Jagdfieber hatte sie gepackt.
Ich versuchte so zu denken wie Nora. Sie lebte .
»Geht es Miss Dearly gut?«, fragte Michael mich. Seine Stimme klang angespannter als gewöhnlich. »Lebt sie noch?«
»Ja!«
»Dem Himmel sei Dank.« Er sah genauso glücklich aus, wie ich mich fühlte, und die Schärfe war aus seiner Stimme verschwunden. Doch dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu. »Was ist nur mit ihnen passiert?«, fragte er verwirrt.
»Haben Sie die Nachrichten nicht gesehen?«
»Nein. Ich habe übers Radio gehört, dass der Notstand ausgerufen wurde. Sie sagten, die Stadt würde belagert. Meine Eltern sind daraufhin abgefahren – die Kutsche stand schon seit einigen Tagen bereit und mein Vater hatte bereits Bedienstete in unser Haus in der Nähe von Morristown vorausgeschickt.« Er hielt kurz inne. »Und was ist das für eine Sache mit dem ehemaligen Premierminister?«, fragte er dann.
Issy saß nahe der Dachkante, sein Kinn ruhte auf den Knien. Er sah mich mit Dackelblick an, rührte sich aber nicht. Nur seine Augen folgten meinen Bewegungen. Ich setzte mich neben ihn. Es dauerte etwa zehn Minuten, bis ich Michael auf den neuesten Stand gebracht hatte. Ich war überrascht, da ich angenommen hatte, es gäbe sehr viel mehr
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