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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Habel
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zu berichten. Es fühlte sich an, als würden mehr als nur zehn Schreckensminuten auf meinen Schultern lasten.
    Michael stand noch eine Weile still und beobachtete die Toten. »Dann sind wir also verdammt.«
    »Sagen Sie das nicht«, widersprach ich eindringlich. »Wir müssen einfach nur warten.«
    »Ich meinte nicht nur uns. Ich meinte … alle. Die ganze Menschheit.«
    Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte, vor allem, weil ich mir nicht eingestehen wollte, dass er vielleicht recht hatte. Wie viele waren bereits gestorben? Und wie viele würden noch sterben?
    »Sind Sie sicher, dass Miss Dearly kommen wird? Sie hätten mich wirklich mit ihr sprechen lassen sollen, Miss Roe.«
    Ich streckte die Hand aus und fuhr Issy übers Haar. Er mochte zwar ein Idiot sein, aber er war auch mein kleiner Bruder. Er rückte etwas näher an mich heran und versuchte, es so aussehen zu lassen, als hätte er nur zufällig sein Gewicht ein wenig zur Seite verlagert. »Ja. Sie sagte, sie würde mit Hilfe kommen. Ich …«
    »Still.«
    Ich schloss den Mund und sah Michael an, der offensichtlich etwas beobachtete. Er lief an der Dachkante entlang und ging schließlich in die Hocke. Es gab noch immer Strom und das Dach hatte sich durch die altmodischen Glühlampen um die Marienstatue in einen Garten aus Schatten verwandelt.
    »In dem Laden dort drüben ist jemand«, sagte Michael schließlich.
    Ich stand auf und trat neben ihn. Isambard rollte sich auf Hände und Füße, blieb aber, wo er war. Michael deutete auf ein Gebäude, das ich als das Mink Emporium erkannte. Es war ein schmales, in einem modischen Pistaziengrün gestrichenes Ladenhaus, das etwa ein Stockwerk niedriger war als die umstehenden Häuser. Mehrere Tote hatten sich vor der Eingangstür versammelt und fummelten an der Klinke und den Scharnieren herum, als stünden sie vor einem besonders kniffligen Puzzle.
    Sie wussten, dass etwas im Haus war.
    »Haben Sie ein Fernglas oder etwas Ähnliches?«, wollte Michael wissen.
    »Nein, nur ein bisschen Verpflegung und Wasser, meinen Bogen und Pfeile. Den Rest habe ich meinem Vater gegeben.« Ich beschattete meine Augen mit den Händen und versuchte, sie gegen die blendenden Lichter abzuschirmen, um auf der anderen Straßenseite irgendetwas erkennen zu können. Es erschien mir, als bewegte sich dort hinter den Vorhängen tatsächlich etwas, aber sicher war ich mir nicht.
    Michael ging hinter mir auf und ab. »Was sollen wir tun?«
    »Es könnte alles Mögliche sein«, argumentierte ich. »Ein Tier? Oder vielleicht ist dort auch überhaupt nichts und einer von denen hat einfach nur so angefangen, an der Tür herumzubasteln, und die anderen machen es ihm nach. Wer weiß schon, was in ihren Köpfen vorgeht?«
    Michael knöpfte seine Jacke auf. »Aber wenn wirklich jemand dort ist …«
    »Dann müssen wir helfen, wenn wir können«, vollendete ich den Satz.
    Michael fuhr sich mit der Hand über die Augen. » Falls wir können.«
    »Nein, tun wir nicht«, platzte Isambard heraus und ruinierte den Moment.
    Ich fuhr zu ihm herum. »Issy, niemand hat dich eingeladen. Du hast kein Stimmrecht. Hauptsächlich deshalb, weil du ein Idiot bist.«
    »Ein Vollidiot«, bestätigte er. »Da stimme ich dir ausnahmsweise mal zu. Ich bin ein Schwachkopf von epischem Ausmaß. Aber ich bin ein Schwachkopf, der gerne weiterleben würde, vielen Dank auch. Außerdem hast du Nora gesagt, dass wir genau hier warten! Was, wenn sie uns nicht findet?«
    »Da hat der Schwachkopf nicht ganz unrecht«, gab Michael zu.
    Ich presste mir die Hand auf die Schläfe. »Issy, du hast plötzlich beschlossen, ein Held zu sein, und jetzt erklärst du mir ernsthaft, dass du nicht alles in deiner Macht Stehende tun würdest, um ein Menschenleben zu retten?«
    Isambard rappelte sich hoch. »Das war, bevor du beschlossen hast, dass wir irgendeinen Hanswurst auf der anderen Seite eines Zombiesflusses retten sollen! Manchmal bist du echt frustrierend!«
    »Beruhigt euch«, warf Michael ein. »Wir wissen ja nicht einmal, ob dort drüben wirklich jemand ist. Zum Teufel, in jedem dieser Gebäude könnten noch Menschen sein. Wir können nicht alle retten. Vielleicht noch nicht mal einen davon.«
    Ich biss mir auf die Unterlippe. Er hatte recht.
    » HILFE !«
    Der plötzliche Aufschrei ließ mich zurück zur Dachkante stürzen. Eine Sekunde später stand Michael an meiner Seite. Auf dem Dach des Mink Emporiums stand jemand. Ein Mädchen. Sie hielt in jeder Hand eine

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