Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Habel
Vom Netzwerk:
der Hauswand entlang zu mir heraufgekrochen ist …«
    Michael gab ihr eine Kurzzusammenfassung in fünf Sätzen. »Eine durch Körperflüssigkeiten übertragbare Krankheit bringt Tote dazu, wieder aufzuerstehen. Sie haben eine Vorliebe für Menschenfleisch. Dort draußen gibt es bereits Hunderte von ihnen. Die einzige Möglichkeit, sie umzubringen, besteht darin, sie in den Kopf zu treffen. Wir werden alle sterben.«
    Vespertine schwieg einen Moment, dann entgegnete sie in ihrem üblichen kühlen Tonfall: »Eines Tages werden diese Worte eine Gedenktafel schmücken, Sir. Ich werde Sie als offiziellen Hofdichter der Debütantenanwärter vorschlagen.«
    »Es ist eine lange Geschichte. Wir erklären alles später.« Ich sah mich um. »Ich schlage vor, wir nehmen die Hintertür. Wir sollten uns schleunigst ein neues Dach suchen, auf dem wir warten können.«
    »Wo?«, fragte Michael.
    Vespertine betrachtete den Bogen, den ich mir zwischen die Schulterblätter geschnallt hatte. »Kann man das Ding noch benutzen? Sie haben mich immerhin beim letzten Wettkampf damit geschlagen.«
    »Natürlich, einwandfrei.«
    »Wie viele Pfeile haben Sie noch?«
    »Fünf.«
    Vespertine verschränkte die Arme. »Dann gehen wir wohl erst mal zum Sportwarenladen. Dort sollte es auch Schusswaffen geben, Jagdgewehre zum Beispiel.«
    »Gibt es hier auch irgendetwas, das man als Waffe gebrauchen könnte?«, fragte ich.
    Sie nickte und deutete auf eine der Wände. Dort hingen nach Größe sortierte Saiten jeglicher Kategorie, vom synthetischen Katzendarm bis zum Klavierdraht. Sie ging hinüber und nahm sich auf dem Weg zwei Plastikgriffe von einem Regalbrett. Dann pflückte sie einen der Klavierdrähte vom Haken, fädelte je ein Ende in einen der Griffe und drückte auf die dort vorgesehenen Knöpfe, woraufhin die Drahtenden noch ein Stück weiter eingezogen und aufgewickelt wurden. Als sie fertig war, hielt sie so etwas Ähnliches wie ein Springseil in den Händen. Sie zupfte an einem der Enden, um zu prüfen, ob alles festsaß.
    »Eine Garrotte«, erklärte sie, als sie meinen Blick bemerkte.
    »Ich glaube nicht, dass Sie die Toten erwürgen können.«
    Vespertine hob eine perfekt gezupfte Augenbraue. »Das vielleicht nicht. Aber ich dachte auch eher daran, ihnen mit etwas Anstrengung vielleicht die Köpfe abschneiden zu können.« Sie drehte sich um und nahm zwei Hämmer von der Wand, wovon sie einen Michael und den anderen meinem Bruder zuwarf. »Da.«
    Isambard starrte sie an und hätte den Hammer um ein Haar ins Gesicht bekommen.
    »Nett«, gab ich zu. »Jetzt lasst uns gehen.«
    Wir stiegen die Treppen hinab. Das Erdgeschoss des Emporiums war im Belle-Époque-Stil gehalten, mit hohen Decken, aufwendig gemustertem Fliesenboden und riesigen, idyllischen Wandgemälden. Klaviere, Violinen, Cellos und andere Saiteninstrumente ruhten auf drehbaren Sockeln. Ein gewaltiger Gaskronleuchter tauchte alles in warmes, flackerndes Licht.
    »Nur, um das klarzustellen«, sagte Vespertine kühl. »Dieses Haus ist meine Familie. Nur diesem Ort fühle ich mich verbunden. Mein Adoptivvater, Lord Mink, ist der Einzige, der mich jemals geliebt hat, und er hat hinreichend deutlich gemacht, dass ich während seiner fortdauernden Abwesenheit die Führung des Geschäftes innehabe.«
    Ich war ehrlich verblüfft. »Sie sind adoptiert? Das wusste ich nicht.«
    Vespertine fuhr fort, als habe sie mich nicht gehört. »Also habe ich mich ganz dem Laden und dem Vermächtnis der Familie verschrieben. Meine Mutter schert sich nicht um mich, und sie und dieses Luder, mit dem sie sich herumtreibt, können von mir aus in der Hölle schmoren.« Sie wandte sich um und führte uns zur Hintertür. »Aber genug von mir. Hier entlang, Ladys und Gentlemen.«
    »Dann mal los«, sagte Isambard und duckte sich unter einem der großen Bleiglasfenster hindurch.
    Wir lauschten an der Hintertür, doch es war alles still. Michael öffnete sie einen Spaltbreit, um hinauszuspähen. Gleich darauf schloss er sie wieder. »Nichts zu sehen. In welche Richtung müssen wir denn?«
    »Die Straße dort draußen hoch«, erklärte Vespertine. »Nur ein paar Blocks in diese Richtung.«
    »Anscheinend fangen sie gerade erst an, sich zu zerstreuen«, warf ich ein. »Davor sind sie mehr oder weniger in einer Gruppe geblieben. Lebenszeichen ziehen sie an.« Ich klopfte Michael leicht auf die Schulter. »Vielleicht sollten wir einfach hierbleiben, solange sie den Laden noch nicht aufgebrochen

Weitere Kostenlose Bücher