Dark Love
haben.«
»Nein«, entgegnete Vespertine scharf. »Erstens sind die Seitenstraßen dann vielleicht nicht mehr so leer und zweitens lassen diese abscheulichen Kreaturen den Laden umso früher in Ruhe, je eher wir ihn verlassen.«
»Miss Mink, Ihr Laden kann meinetwegen zum Teufel gehen.« Der Blick ihrer Katzenaugen durchbohrte mich, doch ich wandte mich einfach ab. »Aber Ihr erstes Argument zieht. Also gehen wir.«
»Nach Ihnen«, sagte Vespertine. Isambard stellte sich hinter sie.
Michael nickte. »Dann auf drei. Eins, zwei … drei!«
Er riss die Tür auf und wir rannten los. Es war dunkel, da die Straßenlaternen hier weniger dicht standen als auf der Hauptstraße. Mein ganzer Körper schmerzte, während ich an zweiter Stelle hinter Michael herhetzte. Vespertine und Isambard bildeten den Schluss.
Zum ersten Mal in meinem Leben befand ich mich also am oberen Ende der Hackordnung. Solange ich dabei nicht gefressen wurde, war die Sache in Ordnung.
»Jawohl, Major.«
Wir waren erst seit wenigen Minuten auf dem Wasser. Die Kadaver waren noch immer damit beschäftigt, sich in ihren üblichen Schwadronen zu formieren, und die Mediziner bauten die Sanitärstation auf, ließen ihre Medikamentenwagen ineinanderkrachen und stolperten über Kabel.
Doch ich fühlte, dass irgendetwas nicht stimmte.
Ich lief das erste Schiffsdeck ab und schaute dabei in jedes Zimmer, an dem ich vorüberkam. In meinem Ohr erklang die Stimme meines Befehlshabers, sirrend wie eine zornige Wespe. Sie kam aus einem Miniaturfunksprechgerät.
»Verflucht noch mal.« Major Sweeneys Stimme entfernte sich. Ich konnte das Gerede von Leuten um ihn herum hören. Er musste sich in irgendeiner Einsatzzentrale befinden.
»Was ist los?«, fragte ich nach, während ich eine weitere Metalltür öffnete und in den Raum dahinter spähte.
»Die Toten verstreuen sich allmählich«, gab er weiter. »Das gibt eine größere Sauerei, als wir angenommen hatten.« Er hatte eine tiefe Stimme und der Seufzer, der nun folgte, klang wie ein gedämpftes Nebelhorn. »Diese gottverdammten Ayles. Zur Hölle mit ihnen.«
»Ich habe immer gesagt, dass sich ihre Pro-Zombie-Einstellung irgendwann einmal rächen wird.«
»Das findet heute Nacht ein Ende.«
Endlich einmal kluge Worte.
Wo zum Teufel war Griswold?
»Gibt es irgendwelche Neuigkeiten bezüglich unserer Mission, Major?«, fragte ich und fuhr mir mit der Hand über den Kopf. »Unser Kommunikationszentrum sollte in ein paar Minuten einsatzbereit sein.«
»Nein, ich melde mich wieder, wenn es etwas Interessantes gibt. Major Sweeney, over.«
Ich zog den Ohrstöpsel heraus und packte einen entgegenkommenden Zombie am Oberarm. »Wo ist Griswold?«
Der Tote zuckte mit den Schultern. Ich fluchte und ging weiter.
»Griswold?«, fragte ich jeden, an dem ich vorbeikam. »Wo ist Griswold?«
Niemand wusste es. Bald fiel mir außerdem auf, dass auch keiner seiner kleinen Freunde zu sehen war. Es dauerte etwas, bis ich mich wieder an die Namen erinnerte. In meinem Kopf tobte zurzeit ein wahrer Informationssturm.
»Todd?«
»Ich suche nach dem Gefreiten Gates.«
»Hat hier irgendjemand Sweet gesehen?«
Ben sah mich verwirrt an. »Sweet? Den kenne ich nicht, Captain.«
»Es ist eine Sie. Sweet, na, Sie wissen schon.« Er schüttelte den Kopf. Frustriert schlug ich gegen die Wand und brüllte: »Chastity Sweet! Mädchen! Tot! Sweet!«
Bens Miene flackerte ein wenig. »Ihr Nachname ist Sweet ? Chastity Sweet?« Hinter ihm begann einer seiner Männer zu lachen. »Oh, süße Unschuld.«
Sie waren nicht auf dem Schiff.
Ich wandte mich von Ben ab, bevor ich ihm noch den Kopf abriss, und stürmte blind vor Wut zum Kommunikationszentrum.
Dann überkam mich die Angst.
Was tat Griswold gerade? Was wusste er? Wusste er überhaupt irgendetwas? Was hatte er dem Mädchen erzählt?
Als ich den Raum erreichte, entdeckte ich dort eine Karte der Territorien, die man auf einen großen Bildschirm projiziert hatte. Unser Boot erschien auf dem Meer als ein kleiner roter Punkt mit Kurs auf Nicaragua. Die Flut der Untoten, die New London überrollte, wurde mit grünen Pfeilen markiert. Auf beiden Seiten des Bildschirms waren tote Techniker damit beschäftigt, weitere Ausrüstungsgegenstände aufzubauen.
Ich setzte mich auf einen Stuhl, den man für mich aufgestellt hatte, und zwang mich dazu, ruhig durchzuatmen. Es war noch nicht so weit. Noch immer nicht. Griswold hatte seine Truppe vielleicht aus Protest dazu gebracht, diese
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