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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Habel
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sich.
    »Still«, sagte Michael mit gedämpfter Stimme. »Wir müssen hier weg.«
    Vespertine starrte an die Decke. »Nach rechts. Auf der Karte unten habe ich gesehen, dass das Gebäude symmetrisch ist. Wir können zur Treppe auf der anderen Seite und dann weiter nach oben.«
    Vorsichtig bewegten wir uns auf das andere Ende der Halle zu und blieben dabei dicht beieinander.
    Und natürlich musste der Jingle von Princess Kitten uns just in diesem Moment mit seinen süßen Tönen erfreuen.
    Die anderen fuhren zusammen. Vespertine zielte sogar für einen Moment mit der Armbrust auf mich, drückte aber Gott sei Dank nicht ab. Ich hatte mein Handy in meinen Leinenhandschuh gesteckt und konnte es nicht rechtzeitig herausfischen, um den Anruf anzunehmen. »Komm schon, komm schon, komm schon!«, flehte ich. Der Klingelton schien Ewigkeiten zu erklingen und verstummte natürlich erst genau in dem Moment, in dem ich das Telefon berührte.
    Neben mir japste Isambard. »Pam! Sie kommen!«
    Ich sah auf. Die Schatten unserer toten Verfolger tanzten vor uns über die Wände.
    »Lauft!«, schrie Vespertine.
    Und wieder rannten wir los. Das Telefon klingelte immer weiter, doch ich konnte die Anrufe nicht annehmen. Ich wusste, dass es Nora sein musste. Sobald wir die andere Treppe erreicht hatten, blieb ich einen Moment stehen, um es hervorzuziehen.
    »Miss Roe, kommen Sie schon!«, rief Michael.
    »Moment!« Ich öffnete das Telefon und sah auf das Display. Ich drückte auf die Wahlwiederholungstaste und erklomm dann hinter ihm die Treppe.
    Beim ersten Klingeln wurde abgenommen. »Pam?«
    Ich klammerte mich am Geländer fest. »Nora! Wir mussten weg von der Kirche!«
    »Das sehe ich! Wir sind genau darüber! Wo zum Teufel bist du?!«

Wir erwarteten, jeden Moment umgebracht zu werden. Allein die Tatsache, dass Henry und ich noch ein paar endlos scheinende schäbige Tage durchgehalten hatten, war ein wahres Wunder.
    Aber immerhin war gerade die richtige Jahreszeit für Wunder, nicht wahr?
    Wir wurden im Langhaus gefangen gehalten und bekamen erst am zweiten Tag Wasser. Ich schaffte es allerdings, uns die Injektionen zu verabreichen, ohne dass es jemand bemerkte. Eine volle Spritze für jeden von uns. Frohe Weihnachten, Medikamente für alle!
    Doch wir bekamen keine Gelegenheit mehr, uns zu unterhalten oder einen Plan auszuhecken. Nur ewige, leere Stunden, die Averne mit Beschimpfungen und brutalen Drohungen füllte. Es wurde allmählich langweilig. Und es machte mir ein wenig Hoffnung. Meine Mutmaßungen und Andeutungen hatten seinen Verfolgungswahn offensichtlich auf die Spitze getrieben. Er war manipulierbar und das war vielversprechend.
    Ich behielt Averne genau im Auge. Er aß sein gekochtes Fleisch stets mit dem Rücken zu uns. Er trank aus Flaschen, die er aus einer der Kisten zog. Es war Alkohol, ich konnte es riechen. Ohne einen funktionierenden Blutkreislauf und ohne irgendeine Form von Pumpvorrichtung in seinem Körper konnte der Alkohol allerdings weder sein Gehirn erreichen noch seine wohltuende Wirkung entfalten. Möglich wäre natürlich, dass Averne ihn als eine Art billiges Konservierungsmittel einsetzte.
    Doch ich vermutete eher, dass er tatsächlich noch lebte.
    Anscheinend schwankte Averne mehrmals am Tag zwischen Zuständen manischer Aktivität und Zeitspannen, in denen man ohne Weiteres hätte annehmen können, dass er sich bereits in einem fortgeschrittenen Verwesungsstadium befand. Da er dabei stets verhüllt im Schatten saß, konnte ich nicht beurteilen, ob er nun schlief oder nicht, was vielleicht genau der Grund war, warum er seinen Schal trug. Vielleicht sollte es auch seine Männer abschrecken. Mich jedenfalls schreckte es ab.
    Wir wagten nicht, ihn anzugreifen. Ich mochte ein Zombie sein, aber ich war auch ein alter Mann mit nur einem Bein. Henry war zwar noch ein sehr frischer Toter, hatte jedoch bereits einen Arm verloren. Averne hätte es vielleicht mit uns aufnehmen können, wenn wir den Sprengstoff nicht einsetzten. Und wir wussten beide, wohin diese Bombenidee uns bisher gebracht hatte.
    Wann immer Averne uns nicht mit Drohungen überhäufte, beschäftigte er sich mit seinen Karten. Ich konnte ihn murmeln hören, während er sich darüber beugte und die ausgefransten Ränder glatt strich. Es klang, als würde er größenwahnsinnige Pläne schmieden oder sich überlegen, wie er seine Truppen während der von ihm erwarteten Massenschutzimpfung platzieren könnte. Manchmal kritzelte er auch Berechnungen

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