Dark Love
und in eine Genbank in Nordnicaragua, aber er ließ auch die toten Tiere nicht verkommen.
Gerade als ich wieder Pams Blick auffing und herauszufinden versuchte, ob die Betrübtheit darin von ihren eigenen Problemen herrührte oder von diesem nicht gerade spannenden Besuch, öffnete sich die Tür und Michael Allister betrat den Raum.
»Ahh, Michael«, rief Lady Allister. Anscheinend war sie also tatsächlich noch wach. »Wie geht es dir heute, mein Sohn?«
Michael Allister war ein sechzehnjähriger Junge mit sandfarbenem Haar. Er war gut gebaut, aber sein Gesicht hatte mir noch nie gefallen. Sein Kinn war zu schwach ausgeprägt und seine Nase zu vornehm. Der beinahe komische Ausdruck von Überraschung auf seinem Gesicht verblasste, als sein Blick auf mich fiel, und er lächelte mich breit an, bevor er sich an Lady Allister wandte. »Sehr gut, Mutter. Ich bitte um Verzeihung, dass ich hier so einfach hereinplatze. Ich hatte vergessen, dass heute Ihr Besuchstag ist.«
»O nein, mein Lieber, das macht überhaupt nichts. Da fällt mir ein, warum begleitest du die jungen Damen nicht auf einen Spaziergang? Junge Damen sollten sich an einem so schönen Tag wirklich nicht im Haus aufhalten – junge Gentlemen übrigens auch nicht.«
Tante Genes Blick sagte mir, dass ich besser gehen und den Spaziergang gefälligst genießen sollte.
Michael verbeugte sich gehorsam und wartete auf uns. Pamela sprang auf die Füße, während ich mich etwas langsamer erhob. Wir verließen das Haus durch einen Seiteneingang und Pamela und ich zogen die Schleier unserer Hüte hinab, um unsere Haut vor der Sonne zu schützen.
Die Rasenfläche, die das Haus der Allisters umgab, war weitläufig und sorgfältig gepflegt. Gewissenhaft geklonte Pfauen stolzierten elegant unter den Bäumen entlang und Enten dümpelten auf angelegten Teichen. Es war ein beeindruckender Anblick.
»Also.« Michael verschränkte die Hände hinter dem Rücken, während er neben uns einherschritt. »Wie gefallen Ihnen die Ferien bis jetzt?« Seine Stimme schien jetzt, wo seine Mutter sie nicht hören konnte, tiefer und fester zu sein.
»Sie sind toll«, entgegnete Pamela.
»Sie sind … interessant«, wählte ich als Antwort.
Michael nickte langsam und sah mich an. »Ich nehme an, Sie werden keines der Ferienfeste besuchen?«
»Äh, nein, nein«, erwiderte Pam. »Wir haben noch nicht debütiert.«
Michael warf Pam einen seltsamen Blick zu. »Ich werde sie wohl auch nicht besuchen dürfen«, meinte er dann. »Ich dachte, man könnte auch für die Jüngeren etwas organisieren. Die Ferien sind sonst so furchtbar langweilig.« Seine Augen flogen wieder zu mir herüber und Pamela ergriff die Gelegenheit und rückte etwas näher an ihn heran.
»Oh, erst gestern habe ich mit Miss Dearly genau darüber gesprochen! Das wäre einfach phantastisch . Das wäre es doch, nicht wahr, Miss Dearly?« Sie warf mir einen Blick zu.
Ich schuldete ihr was. Großartig. »Hmm. Phantastisch .«
Pamela schien zufrieden zu sein. Sie wandte sich wieder Michael zu und fuhr fort: »Ich würde gerne bei der Planung helfen! Mein Vater bäckt den allerbesten Weihnachtskuchen.«
Am liebsten hätte ich die Hand vors Gesicht geschlagen. Pams Vater war Bäcker. Nicht gerade etwas, an das man einen reichen Jungen erinnern sollte, wenn man ihn wirklich mochte. Michael könnte denken, sie wolle sich bei ihm und seiner Familie einschmeicheln, um daraus Profit zu schlagen. Aber ich konnte sein Gesicht sehen und er schien nicht verärgert, sondern eher amüsiert zu sein, und nickte großmütig.
Ich gab ihr mit Blicken zu verstehen, dass sie und Michael wohl besser allein sein sollten, und beschleunigte meine Schritte ein wenig, wobei ich meinen Rocksaum etwas raffte, um besser laufen zu können.
Die Richtung, die ich eingeschlagen hatte, brachte mich von dem gepflegten Weg ab und führte mich auf die Wiese, auf der sich die Tiere tummelten. Weil ich nichts Besseres zu tun hatte, versuchte ich vorsichtig, mich an einen der Pfauen anzuschleichen. Er stieß einen eindringlichen Schrei aus und schlug eine andere Richtung ein, wobei er eine wie Juwelen glänzende Feder zurückließ. Ich hielt an und hob sie auf. Sie schimmerte im echten Sonnenlicht.
»Und mein Cousin ist an die Front gerufen worden«, hörte ich Michael sagen. Sie holten wieder auf.
»Oh, wie furchtbar«, erwiderte Pam mitfühlend.
»Zu welcher Kompanie?«, fragte ich und drehte mich um.
Michaels Blick fiel auf die Feder in meiner Hand
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