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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Habel
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Tante würde mich nie wieder in eine Kutsche locken.
    Grummelnd rollte ich mich herum, stand auf und ging in den Flur hinaus, wo ich Bettwäsche aus einem der großen Wandschränke holte. Ich betrat das Zimmer meines Vaters und warf die Bettwäsche in einem Haufen auf seinen Schreibtisch, um beide Hände für das Auffalten und Auslegen frei zu haben. Während ich das Bett bezog, wanderten meine Gedanken zu Pam. Irgendwie musste ich es wiedergutmachen. Ich wollte sie nicht anrufen oder ihr eine Nachricht schreiben, sondern mich persönlich entschuldigen. Vielleicht wäre ein Ausflug in die Eisdiele morgen eine gute Idee, weit weg von Tante Gene. Ich wollte ihr mein Herz ausschütten und ich wollte, dass sie mir ihres ausschüttete. Ich würde sie um Verzeihung bitten und alles wieder ins Lot bringen.
    Sie war fröhlich gewesen, als wir sie zu Hause abgesetzt hatten, aber ich hatte trotzdem das Gefühl, etwas wiedergutmachen zu müssen.
    Trauer war eine Sache. Rücksichtslosigkeit eine andere.
    Als ich die letzte Decke vom Schreibtisch zog, fiel mein Blick auf den Holografie-Projektor meines Vaters.
    Ich legte die Decke beiseite und setzte mich auf die Tischkante. Dann wischte ich den Staub von den Linsen und polierte sie mit einem fleckigen grünen Tintenlöschtuch. Der Projektor war groß und hatte eine hohe Auflösung, sah ansonsten aber genauso aus wie der kleine Messingprojektor, der oben in meinem noch unausgepackten Koffer lag. Pamela hasste das Ding. Viele glückliche Stunden lang hatte ich mir mit meinem Vater Dokumentationen und Kriegshologramme angeschaut. Besonders oft hatten wir uns die »Ausführliche Geschichte Neuviktorias« angesehen. Wie oft hatte ich gebettelt, damit er mir besonders die detaillierten Schlachtszenen zeigte! Mindestens genauso oft, wie ich darum gebettelt hatte, mir das »Dschungelbuch« vorzulesen. Als Erinnerung an diese guten alten Zeiten schaltete ich den Projektor an und legte die entsprechende Aufnahme ein.
    »Hallo, Miss Dearly«, sagte die weibliche Stimme des Projektors, der meinen Chip las und mich so erkannte. »Aufnahme starten. Maßstab 1   :   1.«
    Natürlich wusste ich, dass die Männer, die um mich herum auftauchten, nicht wirklich waren. Das Licht der Lampen ließ sie sogar noch unwirklicher erscheinen, sie waren flüchtiger als üblich. Aber die guten Manieren, die meine Mutter mir eingetrichtert hatte, hielten mich davon ab, einfach durch sie hindurchzugehen. »Spiel nicht mit den Hologrammen, Liebes. Das ärgert die anderen Leute und es stört die Illusion.«
    Also hielt ich mich abseits, als Jeremiah seine Männer zur Rebellion aufrief, und blieb am Rand der virtuellen Gruppe stehen. Ich löschte eine Lampe nach der anderen und die Farben des Hologramms wurden intensiver.
    »Sie werden eure Arbeitsplätze an Maschinen verteilen, Gentlemen!«, brüllte Reed.
    »Vorspulen«, sagte ich, »300   Sekunden.«
    »Bestätigt«, erklärte mir die weibliche Stimme.
    Das Hologramm wurde vorgespult, eine Lichterflut tanzte über die Wände des Zimmers. Ein Wirbel und eine plötzliche grell kreischende Explosion katapultierten mich mitten in eine Schlacht. Die Punks kämpften verbissen um einige Kilometer Land gegen die rotberockte neuviktorianische Armee. Diesen Teil des Hologramms hatte ich mir schon oft angeschaut und er hatte mich jedes Mal verzaubert, so verstörend das auch klingen mochte.
    Während der Erzähler über Taktiken und geographische Gegebenheiten schwadronierte, versuchte ich, mich am Rand zu halten, aber der Kampf tobte überall. Meine Füße versanken in den Leibern sterbender Männer, Kugeln zischten durch meine Brust. Schließlich beschloss ich, einfach in der Mitte stehen zu bleiben, inmitten des Gebrülls und der Gewalt. Ich fand es nicht erschreckend. Ich fand es aufregend.
    Diese Menschen mussten vielleicht sterben, doch wenigstens hatten sie richtig gelebt.
    »Wiedergabe starten!«, rief ich. »Zweiunddreißigfache Geschwindigkeit!«
    Ich ließ zu, dass die Eiszeit mich in ihrem Weiß begrub. Knietief stand ich in der Lava des Yellowstone und ließ die schillernde Asche, die die Sonne verfinstern sollte, auf mein Gesicht herabregnen, ohne dass sie es jemals berührte. Die Pfeile, welche die Routen der Völkerwanderungen anzeigten, flogen über meine Taille. So etwas hatte ich noch nie getan. Es war beeindruckend.
    Für eine Weile konnte ich mich selbst vergessen.
    »Zurück zu Punkt fünf!«
    Und dann explodierten wieder Bomben und

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