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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Habel
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neuviktorianische Soldaten marschierten über mich hinweg. Ich schloss die Augen und lauschte dem Stampfen ihrer Füße, ihren Manöverrufen, dem Gewehrfeuer. Ich rezitierte den Bericht dazu aus dem Gedächtnis.
    Es war jetzt ein Jahr und zwei Tage vergangen und ich ehrte das Andenken meines Vaters, indem ich tat, was wir beide oft gemeinsam getan hatten, und dabei lächelte. Ganz leicht.
    Plötzlich hörte ich Schüsse, welche die Stimme des Erzählers nur schwach übertönten.
    Sie kamen nicht aus der Aufnahme.
    Ich riss die Augen auf. Zuerst sah ich gar nichts, das Licht des Hologramms hüllte mich noch immer ein. »Wiedergabe anhalten«, sagte ich. Plötzlich herrschte eine alles verschlingende Finsternis im Zimmer. Ich lauschte.
    Ich konnte deutlich Geräusche von draußen hören. Stimmen, das Knirschen von Kies.
    Mit wild klopfendem Herzen schlich ich wie schon in der Nacht zuvor zum Fenster hinüber. Sobald ich es erreicht hatte, verstummten die Geräusche.
    Aber ich war mir sicher, etwas gehört zu haben.
    Ich hielt den Atem an und wappnete mich. Ich hatte mich nie für einen Feigling gehalten und jetzt musste ich es beweisen. Ich würde zur Sicherheit nachsehen, genau wie gestern Nacht. Gestern war da nichts gewesen und heute würde da auch nichts sein. Höchstens ein paar kleine Jungs, die draußen im Dunkeln spielten.
    Ich teilte die Vorhänge.
    Das Gesicht eines Skeletts starrte mich an, geschwärzte Augen rollten in ihren Höhlen, die kein Fleisch mehr zu bedecken schien.
    Es grinste.
    Seine Faust krachte durch die Fensterscheibe. Ich schrie und taumelte zurück. Dann schien die ganze Welt zu explodieren und sich in einer Flut aus Scherben und weiteren … Leichen … in das Arbeitszimmer meines Vaters zu ergießen.
    Es gab nur dieses Wort für das, was ich sah.
    Sie sprangen, rutschten oder zogen sich hinein. Es waren Menschen. Zumindest sahen sie so aus, allerdings sahen sie auch aus, als seien sie schon seit Monaten oder gar Jahren tot. Sie befanden sich in allen Stadien der Verwesung, das Fleisch hing schlaff von ihren Gliedern, an manchen Stellen lagen die Knochen frei und manchen fehlten auch ein paar Körperteile. Einige von ihnen trugen verblasste graue Uniformen mit etlichen Rangabzeichen. Aber verständlicherweise wartete ich nicht lang genug, um herauszufinden, wer genau sie waren.
    Ich rannte aus dem Zimmer und schlug die Tür hinter mir zu. Ohne den Hauptschlüssel konnte ich sie jedoch nicht abschließen. Von der anderen Seite der Tür konnte ich hören, wie noch mehr dieser Kreaturen hereinströmten und dabei redeten und lachten.
    »Schon gut, Miss Dearly. Wir wollen Ihnen nichts tun«, rief einer von ihnen laut. Seine Stimme knarrte, als müsse er Luft aus Lungen pressen, die bereits in sich zusammengesunken waren. Die Stimmen der anderen waren leise und entstellt. Ein paar von ihnen schienen überhaupt nicht sprechen zu können, sondern knurrten und ächzten nur.
    »Unser Kommandant wäre gar nicht begeistert, wenn wir ihm diesen Spaß verderben würden.«
    Ich rannte los.
    Hätte mein Herz Füße besessen, wäre es vor mir im oberen Stock angekommen. Auf der letzten Stufe hielt ich für den Bruchteil einer Sekunde inne und überlegte, wohin ich laufen sollte. Mein Atem ging stoßweise und brannte in meiner Brust. Dads Schlafzimmer, riet mir mein Verstand. Besorg dir eine Waffe.
    Danke, Verstand.
    Als ich mich umwandte, um den Flur zu durchqueren, sah ich, dass sie bereits am Fuß der Treppe angekommen waren. Mein Gott, sie waren schnell. Aber sie wirkten merkwürdig unkoordiniert. Je schneller sie rannten, umso stärker schwankten sie hin und her. Einer überholte die anderen allerdings, indem er sich am hölzernen Treppengeländer emporhangelte wie ein durchgedrehter, tollwütiger Affe. Sein Blick bohrte sich in meinen. Es war der, den ich zuerst gesehen hatte. Vielleicht ihr Anführer?
    Egal. Waffe.
    Ich rannte den Flur hinunter, erreichte das Schlafzimmer meines Vaters und verriegelte die Tür hinter mir. Dann ließ ich mich auf die Knie fallen und tastete im Staub und in der Dunkelheit unter dem Bett herum. Dort hatte er immer den Schlüssel zu seinem Waffenschrank aufbewahrt, oder … o Gott, hatte ihn jemand weggenommen?
    Ich hörte, wie die Kreaturen sich gegen die Tür warfen und vor Wut aufschrien, als sie sie verschlossen fanden.
    Bitte, bitte …
    Meine Finger berührten klirrendes Metall und ich zog die Schlüssel hervor. Tastend suchte ich den Weg zum Waffenschrank und

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