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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Habel
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Stellung unzufrieden war. Dann hatte Tante Gene infolge ihrer Unfähigkeit, ihrem Mann einen Erben zu gebären, alles verloren. Kinderlosigkeit war einer der wenigen Gründe, weswegen die Gerichte einer Scheidung zustimmten. Es war ein harter Schlag gewesen.
    Als mein Vater gestorben war, hatte sie gar keine andere Wahl gehabt, als mein Vormund zu werden. Sie brauchte Geld, auch wenn es nicht viel war, das sie sich auf diese Weise unter den Nagel reißen konnte. Vermutlich fühlte auch Tante Gene sich betrogen und verlassen. Ich konnte ihren Zorn nachfühlen.
    Aber es erschien mir als himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass ihre Chancen, alles zurückzubekommen, was sie verloren hatte, so viel besser standen als meine.
    Ich war so in Selbstmitleid versunken, dass mir nicht sofort klar wurde, dass ich von draußen ein Geräusch gehört hatte.
    Ich setzte mich auf. Das Zimmer war dunkel und still, was mir malerisch vor Augen führte, dass ich ganz allein im Haus war und vor gerade mal ein paar Stunden beinahe von einem gruseligen Fremden entführt worden wäre. Die Angst, die bisher von meiner Wut verdrängt worden war, kehrte zurück. Ein Schauer lief mir über den Rücken.
    Ich schwang die Beine über die Bettkante und mein Nachthemd fiel über sie herab, als ich aufstand. Jedes Geräusch, das ich verursachte, kam mir schrecklich laut vor. Langsam und so leise, wie ich nur konnte, ging ich auf die Fenster zu, deren Vorhänge zugezogen waren. Ganz still stand ich dort und lauschte.
    Nichts.
    Ich hätte schwören können, dass ich ein Knacken und ein Rascheln vernommen hatte, als würde sich jemand einen Weg durch die Buchsbaumbüsche bahnen, die an dieser Seite des Hauses unter den Fenstern wuchsen.
    Ich machte es wie bei einem Pflaster. Schnell, bevor ich mich selbst davon abhalten konnte, riss ich die Vorhänge auf.
    Dort draußen war nichts, nur das künstliche Mondlicht.
    »Ganz ruhig, Nora«, seufzte ich. »Es war nur ein Tier oder so. Zeit, ins Bett zu gehen.«
    Ich ließ die Laken, die das Bett meines Vaters verhüllt hatten, auf dem Boden liegen, schloss die Tür hinter mir und stieg die breite Treppe hinauf. Während ich alle Fenster im oberen Korridor schloss, hörte ich das Rascheln der virtuellen Blätter an den virtuellen Bäumen. Diese Geräusche kamen vom Tonband und ich beruhigte mich damit, dass ich gerade bestimmt auch nur eine Aufnahme gehört hatte.
    Erst als ich mich unter meine Decken gekuschelt hatte, traf mich der schaurige Gedanke, dass das Rascheln auf dem Tonband der Stimme des Verrückten auf unheimliche Weise ähnelte.

Am nächsten Morgen erschien Pamela, frisch und munter in einem hübschen neuen Kleid aus lavendelfarbener Baumwolle mit Veilchenmuster. Ich hatte es mir mit einem Buch in dem Alkoven vor meinem Erkerfenster bequem gemacht und sah die bunten Bänder, die von ihrem Hut wehten, und die Vorderseite ihres Mantels, während sie auf die Haustür zusteuerte. Als ich meinen Platz verließ, schlossen sich die Organzavorhänge des Fensters automatisch hinter mir.
    Matilda, die wieder ganz unschuldig in ihr strenges Schwarz gekleidet war, ließ Pam herein. Sie war gerade dabei, Pams Visitenkarte entgegenzunehmen, um sie mir zu melden, als ich den Fuß der Treppe erreichte.
    »Pamma! Und schon wieder nicht in Uniform! Du siehst ja ganz normal aus!«
    »Richtig!« Pamela grinste und mogelte sich an Matilda vorbei. »Du auch!«
    Sobald sie die Worte ausgesprochen hatte, sah ich Bedauern in ihren Zügen. Ich schüttelte den Kopf, nahm sie am Arm und führte sie zum Salon. Ich trug ein Kleid in dunklem Silber mit eckigem Ausschnitt und noch dunkler abgesetzten Ärmeln. Ich war also nicht gerade in Frühlingsfarben gehüllt.
    Tante Genes Blick folgte uns, als wir an ihr vorbeigingen. Sie saß an ihrem Schreibtisch in einer Nische unterhalb der Haupttreppe. Dort hatte sie sich ein kleines Büro eingerichtet, von wo aus sie sowohl ihren E -Mail-Eingang als auch die Haustür im Blick hatte.
    Seit dem gestrigen Abend war ich dazu übergegangen, sie geflissentlich zu ignorieren. Oh, dort drüben sitzt also meine Tante? Oh, ich habe wirklich eine Tante? Ich hatte ja keine Ahnung.
    »Hast du schon mit deiner Tante gesprochen?«, fragte Pam, nachdem sie sich im Salon elegant auf ein Sofa plumpsen lassen und ihren Hut abgenommen hatte. Sie wartete meine Antwort gar nicht erst ab, sondern reckte sich vor, um das dicke Glas des Couchtischchens zu berühren. Digitale Knöpfe in Form von Kameen

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