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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Habel
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wandte, sah ich, wohin sie mich brachten – zum Hauptgebäude des Forts. Es war ein Langhaus mit einem flachen Dach, dessen Tür von einem herabhängenden Streifen rissigen Leders verdeckt wurde. Kisten und Fässer türmten sich davor, aber ich konnte keinen guten Blick auf sie erhaschen.
    Als wir das Gebäude erreichten, schoben meine Wächter mich hinein. Auf meinem verbliebenen Bein konnte ich mich nicht aufrecht halten und stürzte zu Boden. Wieder überforderte der schnelle Wechsel von hell zu dunkel meine Augen. Es dauerte eine Weile, bis sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, viel länger, als es bei einem lebendigen Menschen gedauert hätte, und so blieb ich hilflos auf dem Bauch liegen.
    »Dr.   Dearly«, sagte eine krächzende Stimme. »Wie nett, Sie so gesund und munter anzutreffen.«
    Blinzelnd rappelte ich mich hoch. An den Längswänden standen etwa fünfzehn untote Soldaten in Habachtstellung, bewaffnet mit langen Speeren aus Altmetall und Holzresten. An der Kopfseite standen zwei hölzerne Schreibtische und mehrere offene Truhen, vollgestopft mit Funkausrüstungsteilen und zerfledderten Landkarten. Hinter einem der Tische saß eine Gestalt. Der Mann trug zerschlissene, nicht zueinander passende Teile von Militäruniformen und darüber einen braunen Umhang. Ein schmutziger brauner Leinenschal war um seine Schultern geschlungen und bedeckte den unteren Teil seines Gesichts. Sein Haar war dunkel.
    Ich sagte erst einmal nichts und ließ den Blick gedankenverloren auf der Funkausrüstung ruhen. Fünf Minuten allein mit diesen Geräten würden reichen, nur fünf Minuten , dann könnte ich eine Nachricht zum Stützpunkt schicken.
    In Ordnung, es war also noch nicht alles verloren. Reiß dich zusammen, Victor. Kopf hoch.
    Ich versuchte es mit Direktheit. »Sie wissen also, wer ich bin. Und wer sind Sie?« Meine Stimme klang schon ein wenig fester.
    »Major Dorian Averne vom 42sten«, antwortete er.
    »Major.« Ich nickte mit erzwungener Höflichkeit. »Ich bin nicht vertraut mit dem 42sten.« Ich entschied, dass meine Überlebensstrategie fürs Erste darin bestehen sollte, so zu tun, als wisse ich von nichts. Was mir nicht weiter schwerfiel.
    Der Mann erhob sich. Der Umhang verhüllte seine Gestalt, sodass es unmöglich war, Größe und Statur abzuschätzen. Sein Gang war elegant und schwungvoll, was für einen Zombie eher unüblich war. Falls es sich bei ihm denn überhaupt um einen solchen handelte.
    »Das war auch nicht zu erwarten, Doktor, wenn man bedenkt, dass wir in diesem Konflikt auf gegnerischen Seiten stehen.«
    »Ah, dann sind Sie also Offizier der Punkarmee? Nun, es ist mir eine Ehre.«
    Averne trat einen Schritt auf mich zu. Die Haut seiner oberen Gesichtshälfte war trocken und rissig, tiefe Falten verunstalteten die Stirn und den Bereich um die Augen. Ich kam zu dem Schluss, dass er wohl doch tot sein musste. »Eher würde ich mir den Arm abbeißen, als Ihnen mit Respekt zu begegnen, aber ich muss doch zugeben, dass es angenehm ist, mal wieder mit einem Mann zu sprechen, der mehr als eine Silbe am Stück äußern kann.«
    Ich richtete mich weiter auf. »Das glaube ich Ihnen. Nun, darf ich fragen … bin ich ein Kriegsgefangener? Wenn dies der Fall ist, würde ich gerne mit denjenigen in Verbindung treten, die die Bedingungen meiner Freilassung verhandeln können.«
    Averne legte den Kopf auf die Seite. »Glauben Sie denn, dass tatsächlich jemand verhandeln würde?«
    Allmählich kam mir die Sache merkwürdig vor. Hier stimmte etwas nicht. »Ja, aber natürlich.«
    Der Mann wandte sich von mir ab und tat, als hätte ich nichts gesagt. »Ich habe ein Geschenk für Sie.«
    Phantastisch. »Ach?«
    Er gestikulierte zur Rückseite des Raumes. Ich wandte den Kopf, langsam, und sah noch mehr hölzerne Truhen. Jetzt, da sich meine Augen an das Dunkel gewöhnt hatten, erkannte ich die Markierungen darauf.
    Bei dem Anblick wünschte ich mir, ich wäre vorher blind geworden.
    Es waren neuviktorianische Versorgungskisten.
    Eine der Truhen war aufgestemmt worden und einige von Avernes Soldaten waren damit beschäftigt, sie auszupacken. Ihren gehetzten Mienen nach zu urteilen, handelte es sich bei ihnen um neue Rekruten. Mir sank das Herz, als ich Ampullen, Flaschen und Kerosinbrenner erblickte – eine komplette Chemieausrüstung. »Tun Sie mir einen Gefallen und inventarisieren Sie doch den Inhalt dieser Truhen. Lassen Sie es mich wissen, wenn meine Männer Ihnen noch weitere Materialien beschaffen

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