Dark Love
meinem Geld anfangen, was ich will.«
»Ja, aber ich bin dein Captain. Also musst du tun, was ich dir sage.«
»Quatsch.«
»Genau«, bestätigte Tom und lehnte sich zurück. »Ich bin ihr Freund. Also muss sie nur tun, was ich ihr sage.«
Sie rückte drohend näher an ihn heran. »Ich bringe dich heute noch um, Tom. Da liegt so was in der Luft, ich rieche es.«
»Ach wirklich?«, fragte er scheinheilig. »Und ich dachte, das Rauchen hätte deinen Geruchssinn inzwischen erledigt.«
Ren hatte sich mittlerweile wieder in sein Buch vertieft. Er war die reinste Vogelscheuche, seine Hände und Unterarme bestanden nur noch aus Haut und Knochen. Unter seiner fahlen Haut zeichneten sich markante, majestätische Gesichtszüge ab und sein Haar war eine goldbraune Lockenflut. Inzwischen tolerierte er den rüden und rauen Umgangston der Armee, aber am liebsten zog er sich noch immer zurück, wann immer es ging. Ich konnte es ihm nicht verübeln.
»Also«, sagte Chas und glitt auf Toms Schoß. Mit erhobener Braue bot Tom mir seinen fast unberührten Teller an. Ich setzte mich und nahm das Angebot an. »Was macht das Mädchen?«
»Sie spricht.«
»Wirklich? Das überrascht mich.«
»Ja, ich hätte es auch nicht gedacht. Sie hat die grundlegenden Fragen gestellt und ich glaube, ich habe sie endgültig verschreckt. Vielleicht hätte ich lieber meine große Klappe halten sollen.« Allmählich schämte ich mich fast, wenn ich an mein Geplapper dachte.
»Na ja, wir sind eben irgendwie erschreckend. Das lässt sich nicht verbergen.« Sie warf Renfield einen Blick zu. »Auch nicht mit Spitzendeckchen, weißt du?«
Ren hob den Blick nicht von seinem Buch. »Schweig, du impertinentes Weibsbild«, erwiderte er im vornehmen, gedehnten Akzent des Nordens, der viele Mädchen ganz verrückt machte, Chas aber höchstens zum Lachen brachte.
»Ich liebe es, wenn er mich so nennt.«
Ich beäugte mein Frühstück eine Weile, bevor ich zu essen begann. Unserer Nahrung wurde ein Enzym beigemischt, das sie für uns verdaute, da unsere Mägen ja nicht mehr arbeiteten. Eine weitere Zutat im Medizincocktail.
»Ich finde immer noch, dass ich mal mit ihr reden sollte«, seufzte Chas.
»Du bekommst deine Chance schon noch.«
»Wenn irgendjemand mit ihr sprechen sollte«, warf Renfield ein, »dann ich. Kulturell gesehen stehen wir uns am nächsten. Sie muss sich im Moment nicht nur fühlen, als wäre sie direkt in den Hades zu all seinen Dämonen geworfen worden, sondern auch wie eine Lady, die einsam und verlassen zwischen den übelsten Proleten des Slums ausgesetzt wurde.«
Es war einen Moment lang still, dann ergriff Tom das Wort. »Dir ist schon klar, dass wir hier direkt vor dir sitzen?«
»Oh, das ist mir schmerzlich bewusst.«
»Wollte nur mal fragen.«
»Elpinoy will, dass wir sie mit Samthandschuhen anfassen«, fuhr ich fort. »Die komplette Prinzessinnenbehandlung.«
Tom lachte gackernd und schlug auf den Tisch. »Oh, eine Prinzessin . Genau das ist sie. Dieses Wort habe ich ewig nicht mehr gehört.«
Gegen meinen Willen musste ich grinsen. »Du hast ja keine Ahnung, wie oft mir im Gespräch mit ihr ›Royals‹ rausgerutscht ist.«
Ren runzelte die Stirn. »Was hat es mit diesem Wort auf sich? Ich meine, es ist offensichtlich ein Slangausdruck und daher sollte sein Gebrauch mindestens mit dem Verlust eines Fingers bestraft werden, aber es klingt auch nicht völlig verderbt.«
»Nee, ist es auch nicht«, antwortete Chas. »Aber wir amüsieren uns königlich darüber.«
»Verrat ihm nicht zu viel, Schatz«, fiel Tom ihr ins Wort. »Lass ihn doch glauben, dass wir in unserer heidnischen Gossensprache echt schmutzige Namen für seinesgleichen haben.«
Ich schüttelte den Kopf und wollte mir gerade eine weitere Gabel geschmacklosen Essens in den Mund schieben, als Dick mit ein paar der älteren Wachsoldaten in die Kantine stürmte. Sobald ich sie sah, stand ich auf den Füßen. Man musste mir nicht erst erklären, dass etwas nicht in Ordnung war.
»Captain Griswold, Sie werden dringend gebraucht«, stammelte Dick.
»Was ist passiert?«, fragte ich, schon im Gehen. Meine Freunde sahen mir nach, wussten aber, dass sie mir nicht folgen sollten. Jedenfalls nicht sofort.
»Miss Dearly ist, ähm … aufgewacht.«
»Aufgewacht? Sie war doch schon wach, als ich gegangen bin.«
»Jetzt ist sie … sehr wach«, sagte Dick, als wir die Kantine verließen und den Hof überquerten. »Allerdings hat sie ausdrücklich nach Ihnen
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