Dark Love
verloren und war noch immer sehr traurig … ich habe das auch in der Schule erwähnt. Aber an diesem Tag schien es ihr besser zu gehen.« Es war zu viel. Meine Schultern begannen zu beben. Meine Mutter rückte näher an mich heran und nahm mich in die Arme. »Wir haben Besuche gemacht. Sie sagte, ich solle mir keine Sorgen mehr um sie machen. Ich war sogar sauer, weil sie sich nicht für meine Sorgen interessiert hatte. Sie war noch nicht wieder ganz in Ordnung, ich weiß. Aber ich hatte das Gefühl, ich könnte sauer auf sie sein!«
»Ich fürchte, ich muss Sie bitten, jetzt zu gehen, Gentlemen«, sagte mein Vater. Er wanderte ständig zwischen dem Wohnteil und der Bäckerei hin und her und behielt alles im Auge. Er trug noch immer seine Schürze und seine Arme waren mehlbedeckt. »Wie Sie sehen, nimmt das alles sie sehr mit. Sie wird noch krank werden.«
»Natürlich, Mr. Roe. Wir melden uns wieder, wenn wir etwas Neues herausgefunden oder wenn wir weitere Fragen haben.«
Nachdem sie gegangen waren, ergab ich mich den Tränen. Meine Mutter strich mir übers Haar. Ich konnte nicht einmal ein paar einfache Fragen beantworten. Ich wollte gehen und sie finden – jeden See trockenlegen, jeden Wald durchkämmen, alles und jeden befragen. Ich wollte helfen, ich wollte etwas tun.
Aber ich konnte nicht einmal ein paar einfache Fragen beantworten.
Mein Vater kniete sich neben mich und nahm meine Hand. Er war ein agiler Mann mit dunkler, sommersprossiger Haut und dichten weißen Locken. Und er hatte die sanfteste aller Stimmen. »Na, na, Kleine. Beruhige dich. Sie arbeiten so hart sie können. Alle machen sich große Sorgen. Es ist schon gut.«
»Ich will sie zurück«, schluchzte ich.
»Das wollen wir alle«, sagte meine Mutter. Inzwischen weinte auch sie.
»Pamela«, fragte mein Vater, »meinst du, du würdest dich besser fühlen, wenn du die Nachrichten sehen könntest?«
Meine Mutter hatte dafür plädiert, mich weder Nachrichten lesen noch anschauen zu lassen, weil es mich zu sehr aufregen könnte. Ich hob den Kopf und sah, wie sie sich auf die Lippe biss. Aber sie erhob keine Einwände.
»Ja«, antwortete ich. »Ich möchte wissen, was vor sich geht.«
Wir hatten nur einen kleinen Fernseher, der normalerweise hoch oben an der Wand der Bäckerei hing, um den Kunden beim Warten in der Schlange etwas Unterhaltung zu bieten. Mein Vater verließ das Zimmer und kehrte ein paar Minuten später zurück. Auch an unserer Wohnzimmerwand gab es einen Platz, an dem wir den Bildschirm befestigen konnten. Wenn er nicht in Gebrauch war, wurde die Aufhängung von einem gelblichen Kupferstich in einem Emaillerahmen verdeckt. Mein Vater reichte mir die archaische Fernbedienung aus Holz und Kupfer, deren Beschriftung auf den Knöpfen vom ständigen Gebrauch schon ganz abgerieben war, dann legte er ein stoffbespanntes Stromkabel in die Küche, damit wir auch Strom hatten.
Der erste Kanal, auf dem ich landete, zeigte eine Seifenoper. Dasselbe lief auch auf dem zweiten Sender. Mir wurde bei dem Gedanken daran, dass wir angegriffen worden waren, dass meine Freundin gefangen genommen oder gar getötet worden war und dass sich die Leute trotz allem noch ihre Daily Soap anschauten, ganz heiß. Die Tränen trockneten auf meinen Wangen.
Auf Kanal drei war Madame Maureen Winters, eine Fernsehberühmtheit aus New London, zu sehen, die ein Interview führte mit …
… war das Mink?
Ja, sie war es! Ich setzte mich auf und starrte den Bildschirm an.
»Ich spreche mit einer von Miss Dearlys Schulkameradinnen, Miss Vespertine Mink. Ihre Mutter hat diesem Interview freundlicherweise zugestimmt, mit dem Ziel, die Öffentlichkeit zu informieren und die laufenden Ermittlungen zu unterstützen. Guten Morgen, Miss Mink.«
Vespertine hatte versucht, einen traurigen Gesichtsausdruck aufzusetzen, aber sie wirkte lediglich, als würde sie schmollen. Sie trug eine elfenbeinfarbene Hochlandmütze aus Satin, die mit einer riesigen schwarzen Feder geschmückt war. »Guten Morgen, Madame Winters.«
»Berichten Sie uns doch, welchen Eindruck Miss Dearly auf Sie machte, als Sie sie das letzte Mal sahen.«
Vespertine tat so, als würde sie nachdenken. »Nun ja, sie schien sehr aufgewühlt zu sein. Sie und ihre Zimmerkameradin wollten sich gerade auf den Weg nach Hause in die Ferien machen. Das Mädchen, dass mit ihr ein Zimmer teilt, ist ein, nun ja, ein Stipendiumsfall … ich bezweifle, dass ihr Name irgendjemandem bekannt ist, weshalb ich ihn
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