Dark one 02 - Kein Vampir für eine Nacht-neu-ok-06.12.11
Finger über seine sinnlichen Lippen. Mein Gehirn
rebellierte einen Moment lang und erging sich in
Technicolor-Breitbild-Erinnerungen daran, wie es sich anfühlte, von diesen
Lippen geküsst zu werden. Ich wies meinen mentalen Filmvorführer an, sich den
Abend frei zunehmen, und konzentrierte mich auf den Ionenanalysator.
„Warum trägst du Männerkleidung?“
Ich überhörte die Frage und nahm die Wärmebildkamera zur Hand.
„Ich will nicht, dass meine Frau männliche Angewohnheiten hat. Frauen
sollten feminin sein, feinfühlig und hingebungsvoll. So sieht es deine Rolle
vor, aber du bist nichts von alldem.“
„Zum Glück bin ich ja nicht deine Frau“, entgegnete ich und verbot
meinem Gehirn, sich auszumalen, wie es wohl wäre, mit ihm zusammen zu sein. Er
war zwar unglaublich sexy, aber zugleich herrschsüchtig und arrogant, und diese
Eigenschaften waren sehr gefährlich.
„Ich sagte, du bist nicht meine Auserwählte. Davon, dass du nicht
meine Frau sein könntest, habe ich nichts gesagt.“
Ich erschauderte angesichts der dunklen Verlockung, die in seiner
Stimme schwang. Irgendwo hatte ich gelesen, dass Vampire allein kraft ihrer
Stimme Frauen verführen können - und daran hatte ich nicht den geringsten
Zweifel. Ich schaltete mein Diktiergerät ein. Vielleicht konnte zu Hause im
Büro jemand Christians Stimme analysieren und herausfinden, was sie so anziehend
und evokativ machte. „Bist du eigentlich schon als Vampir auf die Welt
gekommen, oder hat ein anderer Vampir an dir geknabbert und dich verwandelt?“
„Du bist außerdem eigensinnig und stur, und es mangelt dir an
Selbstvertrauen.“
Ich biss die Zähne zusammen, schaute auf das Messgerät für
elektromagnetische Wellen und notierte mir, was es anzeigte. Ich würde mich
doch nicht von ihm provozieren...
Hey! Ich sah ihn grimmig an. „Stur? Nicht genug
Selbstvertrauen? Wer beleidigt denn jetzt wen?“
„Das war keine Beleidigung, sondern eine Feststellung.“
„Na, dann pass mal auf, ich habe auch ein paar Feststellungen zu
machen!“ Ich legte das Messgerät zur Seite, hinkte auf Christian zu und bohrte
ihm den Zeigefinger in die Brust. Er ergriff meine Hand und hielt sie fest. Ich
ignorierte die herrlichen Gefühle, die durch die Berührung in mir ausgelöst
wurden, und polterte los: „Zu deiner Info, Dracula, die Frauen haben sich
emanzipiert! Wir können selbstständig denken, treffen unsere eigenen
Entscheidungen, und stell dir vor, wir führen ein glückliches und zufriedenes
Leben, ohne dass uns neunmalkluge Männer erzählen, was wir zu tun haben.
Außerdem bin ich Beschwörerin. Das bedeutet zwangsläufig, dass ich einen
starken Willen habe, und das hat mit Sturheit nicht das Geringste zu tun! Und
was das Selbstvertrauen angeht - ich vertraue sehr auf mich und meine
Fähigkeiten. Dass ich beim Beschwören bislang noch keine großen Erfolge
verzeichnet habe, bedeutet nicht, dass ich es nicht kann. Ich kann es, das weiß
ich, aber mein Fachgebiet ist nun mal keine exakte Wissenschaft, und es kommen
viele unterschiedliche Faktoren ins Spiel, wenn man sich mit Geistern befasst.“
„Ich habe nicht gemeint, dass es dir in Bezug auf dein Können an
Selbstvertrauen mangelt, sondern vielmehr in Bezug auf dein Aussehen.“
„An meinem Aussehen kann ich nichts ändern“, entgegnete ich patzig.
„Mir sind meine Makel durchaus bewusst, wenn du das meinst. Dass ich versuche,
mit dem, was ich habe, so gut wie möglich zurechtzukommen, hat für mich nichts
mit mangelndem Selbstvertrauen zu tun.“
„Du verhüllst deinen äußerst femininen Körper mit formloser männlicher
Kleidung, genau wie du deine Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille
versteckst.“
„Ich trage Hosen, weil sie viel praktischer sind als Röcke und hohe
Absätze, wenn man sich in Spukhäusern herumtreibt. Und ich trage eine
Sonnenbrille, weil ich es etwas ermüdend finde, Fünfzigmahl am Tag als
Missgeburt bezeichnet zu werden. Sonst noch Fragen, Sherlock? Oder kann ich mit
meinen Untersuchungen fortfahren?“
„Dass du dich zu mir hingezogen fühlst, überspielst du durch
Ablehnung.“
Ich grinste und schaute auf meinen Ultraschalldetektor. „Aha,
allmählich kommen wir der Wahrheit näher. Du bist sauer, weil ich nicht so auf
deinen Kuss reagiert habe, wie du es erwartet hast. Dein männlicher Stolz ist
angekratzt. Du Armer! Du bist es gewöhnt, dass die Mädels vor Verzückung in
Ohnmacht fallen, wenn du sie küsst, nicht wahr? Tja, wie anziehend ein
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