Dark one 02 - Kein Vampir für eine Nacht-neu-ok-06.12.11
eigentlich ganz anders
gekleidet sein müsste: Ich fand, er sollte Rüschenhemden aus Seide mit
Spitzenbesatz an den Manschetten tragen, kombiniert mit einer schillernden
Weste, wie sie die Männer vor ein paar Jahrhunderten getragen haben, dazu enge
Hosen und Stiefel, die bis zu den Knien reichten. Und eine Reitgerte sollte er
haben, denn er sah in meinen Augen ziemlich nach einem Reitersmann aus.
„Ich wollte mit dir reden. Ich wusste nicht, dass du bereits Besuch
hast.“ Er warf einen Blick auf die Katze, die sieh hingebungsvoll den Bauch
leckte. „Und dass dir meine Anwesenheit so unangenehm ist. Ich hatte das
Gefühl, wir hätten nach dem beklagenswerten Zwischenfall noch ein paar Dinge zu
klären.“
„So, so“, entgegnete ich zweifelnd. „Zum Beispiel die Frage, was du
letzte Nacht in dem Keller gemacht hast. Oder wie du so schnell von dort verschwinden
konntest. Moment, beantworte am besten zuerst die wichtigste Frage: Bist du ein
Vampir?“
Er sah mich mit seinen mahagoni- und goldfarben glitzernden Augen an,
aber abgesehen von einer leicht hochgezogenen Braue deutete nichts daraufhin,
dass ihm dieses Thema auch nur im Entferntesten unangenehm war. „Ich stamme aus
Mähren und hin somit ein Dunkler.“
Na, damit war mir wirklich geholfen. „Also bist du ein Vampir?“
Er machte eine elegante Handbewegung und ließ meine Frage
unbeantwortet „Okay, dann versuchen wir es anders: Ernährst du dich von
Menschenblut?“
Zunächst reagierte er nicht, zuckte nicht einmal mit der Wimper.
„Ja“, entgegnete er schließlich, und der Schmelz seiner Stimme verlieh
dem Wort eine Kraft, wie ich es noch nie erlebt hatte.
„Bist du unsterblich?“
Wieder zögerte er. „Ich kann getötet werden.“
„Nun, das trifft wohl auf die meisten Lebewesen zu. Lass mich die
Frage anders formulieren. In welchem Jahr wurdest du geboren?“
Er sah mir unverwandt ins Gesicht. „Im Jahre des Herrn elfhundertzwölf.“
Ich rechnete kurz nach. „Das klingt für mich ziemlich unsterblich. Und
verkohlst du im Sonnenlicht?“
Ein leises Lächeln spielte um seine Mundwinkel, und ich wünschte mir
auf einmal, dieses Lächeln zu sein. „Verkohlen? Nein, aber mir bekommt
Sonnenlicht nicht besonders gut.“
„Gut“, sagte ich und zählte die einzelnen Punkte an meinen Fingern ab.
„Du trinkst also Menschenblut, du bist mehr oder weniger unsterblich und gehst
nicht in die Sonne. Weißt du, das hört sich für mich alles in allem doch sehr
nach einem Vampir an!“
„Dunkle werden häufig als Vampire bezeichnet“, entgegnete er.
„Höre ich da ein ,Aber’ heraus?“
Nun lächelte er ganz unverhohlen, und mir wurde etwas zu warm in
meinem Jogginganzug. „Die Vampirmythologie und die Geschichte der Dunklen sind
ähnlich, aber keineswegs identisch.“
„Oh. Dann bist du also so etwas wie ein gutartiger Vampir? Ein
Quasi-Vampir? Sozusagen die Lightversion eines Vampirs? Ziehst du durch die
Welt und vollbringst gute Taten? Oder bist du einfach nur ein Vampir mit einem
gewaltigen Komplex, der andere gern herumkommandiert und sich zum Spaß den
Körper aufschlitzt?“
Er besaß tatsächlich die Frechheit, auf meine Worte mit einem äußerst
gequälten Blick zu reagieren. „Du bist die respektloseste Frau, die mir je
begegnet ist!“
„Und du weichst vom Thema ab.“
„Das tue ich gleich noch einmal: Warum hast du einen Katzengeist in
deinem Hotelzimmer?“
„Weißt du eine bessere Unterbringungsmöglichkeit?“, fuhr ich auf,
bedauerte meinen scharfen Ton aber sofort. „In diesem Zimmer spukt es
angeblich. Ich habe versucht, den Geist zu beschwören, der hier zu Hause ist,
aber stattdessen ist diese Katze aufgetaucht.“
„Und gestern in dem alten Gasthaus warst du auch auf Geisterjagd?“
„Moment, wir sind noch nicht mit meinen Fragen fertig!“
„In der Regel besteht eine Konversation aus Geben und Nehmen. Ich habe
etwas gegeben und erwarte nun, dass ich auch etwas bekomme.“
Die Art und Weise, wie er das sagte, törnte mich extrem an und machte
mich zugleich unglaublich wütend. Ich stand auf und stemmte die Hände in die
Hüften. „Ja, ich war gestern tatsächlich in dem alten Gasthaus, um Geister zu
beschwören. Das ist mein Job, ich bin Beschwörerin. Ich hatte allerdings keinen
Erfolg, falls das deine nächste Frage gewesen wäre. Die Katze ist alles, was
ich bisher an Geistern beschwören konnte, also wäre ich dir dankbar, wenn du
ihr gegenüber ein bisschen mehr Respekt an den Tag legen
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